Es war eine Eskalation mit Ansage: Als Tschechiens Regierung vor zwei Wochen beschloss, im Rahmen der EU-Quoten keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, lagen Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Ungarn und Tschechien längst in der Luft. Anders als Warschau und Budapest hatte Prag zwar mit der Umsetzung des EU-Beschlusses wenigstens ansatzweise begonnen, das offizielle Aus ließ Brüssel aber keine andere Möglichkeit, als auch gegen Tschechien juristische Schritte einzuleiten.

Eigentlich wäre das ein normaler rechtlicher Vorgang, auszujudizieren vom Europäischen Gerichtshof. Dabei könnte man sogar darüber sprechen, dass auch andere Länder weit hinter dem Quotenplan herhinken und dass die Frage, wie Flüchtlinge in den ihnen zugewiesenen Staaten gehalten werden sollen, längst nicht geklärt ist.

Das Problem: In Tschechien ist Wahlkampf. Nach dem Rücktritt von Premier Bohuslav Sobotka als Chef der Sozialdemokraten übernimmt Innenminister Milan Chovanec die Partei, ein Hardliner in Sachen Flüchtlingspolitik. Und auch der konservative Ex-Präsident Václav Klaus poppt wieder auf und schwadroniert vom Austritt aus der EU, die Tschechien "zum Gehorsam zwingen will". Die Prager Politik wäre gut beraten, sich an den Anti-Flüchtlings-Wahlkampf des slowakischen Premiers Robert Fico zu erinnern. Dessen Erfolg blieb überschaubar. Dafür sitzen in der Slowakei jetzt aber die Rechtsradikalen im Parlament. (Gerald Schubert, 15.6.2017)