Burnout wird von Fachleuten als Zustand völliger Erschöpfung beschrieben. Sie raten: Bei voller Fahrt unbedingt Pausen einlegen.

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Konkurrenz, Leistungsdruck – aber auch ein permanentes Online-Sein, beruflich wie privat, sieht Psychologe Christian Korunka als Ursachen allen Übels.

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Damit einher geht die Beschleunigung der Arbeitswelt, des Alltags überhaupt.

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"Mit 25 hatte ich ein Burnout", sagt M. (sie möchte ihren Namen nicht genannt sehen). "Heute fällt es mir nicht mehr schwer, darüber zu sprechen." Heute wisse sie, wo sie ihre Grenzen ziehen müsse, wann die Notbremse. Aber dazu später. M. hatte neben einem Vollzeitstudium einen Job. "Lange Zeit ging das gut, ich war Anfang beziehungsweise Mitte zwanzig, hatte Energie und Motivation, einen tollen Freundeskreis, beruflich konnte ich in einem jungen Alter viel vorweisen", berichtet die mittlerweile 32-Jährige. "Irgendwann aber kam der Crash."

Das Beispiel der jungen Frau steht exemplarisch dafür, wie es nicht wenigen in ihrem Alter geht. Laut einer Studie der Allianz-Versicherung empfinden bereits 41 Prozent der 18- bis 34-Jährigen eine akute Stressbelastung am Arbeitsplatz, offenbar mehr als jede andere Altersgruppe. Was ist dafür verantwortlich?

Permanentes Online-Sein hat Folgen

Christian Korunka, Arbeitspsychologe an der Universität Wien, sieht eine mögliche Ursache in der Beschleunigung der Arbeitswelt: Die digitalen Technologien verlangen Arbeitenden viel ab. Laptops, Tablets und Smartphones ermöglichen ständige Erreichbarkeit, wodurch die Grenze zwischen Job und Privatsphäre zusehends verschwimmt. E-Mails werden wochenends zu Hause, beim Waldspaziergang oder im Urlaub sogar vom Strand aus gelesen – laut Studien tut das übrigens jeder Dritte in Österreich. Das ständige Multitasken, das ständige Fiepen und Blinken tun ihr Übriges. Auch die private Kommunikation verlagert sich zunehmend ins Digitale. Für die krankhafte Angst, etwas zu verpassen, gibt es längst einen Begriff: "the fear of missing out", kurz Fomo.

Zusätzliche Faktoren für Stress seien Konkurrenz und Leistungsdruck, sagt Korunka: "Man muss sich ständig Auswahlverfahren stellen." Permanent habe man sich mit anderen zu messen und zu beweisen. Das ist nicht nur im Job so, sondern auch im Privaten. Und die meisten machen bereitwillig mit, setzen alles daran, die bestmögliche Version von sich selbst zu sein.

Niedergeschlagen und ausgelaugt

Psychologe Korunka warnt jedoch ausdrücklich davor, jeden Stress gleich als Burnout zu titulieren. "Dazwischen besteht ein großer Unterschied." Typisch für Burnout ist Fachleuten zufolge der Zustand völliger Erschöpfung: Betroffene fühlen sich psychisch und körperlich ausgelaugt. Eines Tages, berichtet M., habe sie in der Früh plötzlich kaum mehr aufstehen können. Energiemangel ist bei Burnout üblich, ebenso wie ständige Müdigkeit und Niedergeschlagenheit. Das Selbstwertgefühl sinkt. Im Büro habe sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen, erzählt M., "zu Hause heulte ich stundenlang vor mich hin".

In einer nächsten Phase des Burnouts stellen sich laut Experten sukzessive Zynismus und Depersonalisierung ein. Man erkennt sich selbst nicht wieder oder empfindet die Umwelt als verändert. Die Arbeit erledigt man nur noch mit Frust und distanziert sich in der Folge davon. Manche Betroffenen beginnen Kollegen und Kunden abzuwerten, andere werden zynisch. Auch die Arbeitsleistung verschlechtert sich.

Ganz so weit kam es bei M. offenbar nicht. Dank ihres aufmerksamen Mitbewohners. Nach mehreren Monaten habe er sie zur Rede gestellt. "Ich ging also zu einem Psychologen, der meinte: 'Wenn Sie jetzt nicht sofort etwas ändern, sind Sie in einem halben Jahr völlig zerstört.'"

Pausen, wenn man denkt, keine zu brauchen

Die Erkenntnis sei der erste Schritt, Burnout zu begegnen, sagen Fachleute. Essenziell anschließend: zu lernen, die Belastung, so gut es geht, zu steuern, zu erkennen, wann es zu viel ist, und zu überlegen: Wo lässt sich ein Kompromiss machen, wo in den Terminkalender Privatleben einbauen? Als Folge ihrer Erschöpfung habe sie ihren Tagesablauf komplett umgekrempelt, sagt M.: "Ich strich alles Unnötige raus, lernte, Nein zu sagen."

Eine weitere dringende Empfehlung sind Pausen. Kurze, während der Arbeit und auch längere wie ein Urlaub. Und zwar genau dann, wenn man denkt, keine Zeit für eine Pause zu haben. "Ich schlief viel, machte Spaziergänge", sagt M. "Langsam lernte ich, wieder mehr auf meine körperlichen Bedürfnisse achtzugeben wie Schlaf oder regelmäßiges Essen."

Betriebe gegen Burnout

Natürlich, sagt M., neige sie immer noch dazu, sich zu viel aufzuhalsen. "Bis zu einem gewissen Grad brauche ich das auch – es gibt mir Energie. Aber heute spüre ich mich besser." Dass Junge "heute mehr auf sich schauen", stimmt Korunka optimistisch. "Der Druck nimmt zu, aber es bauen sich Schutzfaktoren auf", sagt der Psychologe.

Die Kehrseite von Trends wie Achtsamkeit sei jedoch, dass sie das Problem zu einem des Einzelnen, der Einzelnen machen – "obwohl es eigentlich ein gesellschaftliches ist", so Korunka. Auch die Unternehmen seien gefordert, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen, Beschäftigte nicht mit Arbeit zu überhäufen. (Lisa Breit, 16.6.2017)