Wien – Den körperlichen Süden als Metapher für den globalen Süden setzte die brasilianische Gruppe Macaquinhos am Donnerstag bei den Festwochen: Gesellschaftlicher Delegitimierung und Ausgrenzung, wie im Programm angeführt, mag man als Gemeinsamkeit der beiden noch zustimmen können. Mit der Vorstellung von Kolonialismus, Patriarchat und Kapitalismus, auch die stehen im Infotext, hört das Verständnis beim, pardon, Arsch aber wieder mehr auf.

Man ist also gespannt. Diejenigen, die etwas apathisch herumgehen, als die Performance startet, beginnen bald, einander langsam zu entkleiden: Shirts, Hosen, Kleidchen, weg damit. Dem Erforschen und Kosen der folgenden Stunde stünden sie nur im Weg. Denn geschaut wird nicht nur mit den Augen. Es wird auch gezupft, geschnüffelt, gebohrt, mit den Fingern gegen Bäckchen und Schließmuskeln geschnippt.

Scheitel an Steiß stehen die neun Performerinnen und Performer im Kreis. Mit dem Finger im Po des Vordermannes wird das Grüppchen zum Tornado und wirbelt durch die Halle. Es gerät mitunter ins Schlenkern, doch Halt findet sich in ebenjenem engsten Spalt.

Keine Scham, keine Vorurteile!

Um den schweißtreibenden Tanz von Nackten um eine Mitte, in der ein Loch steht, lagert sich der verschmitzte Kreis des Publikums. Wer nicht schnell genug aus dem Weg ist, wird von dem wuselnden Grüppchen touchiert oder eingekreist. Legt also ab eure Scham!

Seit einigen Jahren erfährt die betreffende Körperregion nämlich zunehmend Beachtung. Ist Anal Bleaching, aus der Pornoindustrie kommend, ein erster Bote der Erschließung des Hintenunten? Wann wird nach der Vaginalchirurgie die ästhetische Analchirurgie einsetzen? Das traditionell schlechtergestellte Ende des Leibes, ist es nicht genauso ein Anfang? Bietet sich da ein stichhaltiger theoretischer Strohhalm für das Gezeigte?

Oder ist es doch nur ein relativ plakatives Brechen von Tabus? Antworten bleiben aus. Fragen eigentlich auch. Stattdessen mischen sich in die wortlose Performance zunehmend Erschöpfungslaute, hie und da ein Zittern. Die Abfahrtshocke, das Knien, Posieren auf allen Vieren und Räkeln fordern ihren Tribut. So viel ist klar: Es geht jedenfalls nicht um Sex, sondern um Interesse. (wurm, 16.6.2017)