Am Montag steigen sie also in den Ring und beginnen offiziell mit den Brexit-Verhandlungen. Dass diese allerdings tatsächlich "im Geist aufrichtiger Zusammenarbeit" erfolgen werden, glaubt wohl der britische Finanzminister Philip Hammond nicht einmal selbst. Auch wenn alle versichern, es solle zwei Sieger geben, wird jeder danach trachten, der einzige Gewinner zu sein.

Die bisherigen diplomatischen Gesten von Respekt und Wertschätzung sind wie das vorsichtige Taxieren zweier Boxer, die sich schnell noch einmal aufwärmen vor dem großen Kampf. Schon bald wird es wohl vorbei sein mit Sportsmanship: Sowohl London als auch Brüssel werden echte Treffer landen müssen. Denn die Zeit läuft: Der Kampf soll spätestens im März 2019 entschieden sein.

Ein eindeutiger Favorit ist bisher nicht auszumachen. Die britische Premierministerin Theresa May tritt mit einem schweren Verletzungshandicap an, nachdem sie in fahrlässiger Selbstüberschätzung unnötige Wahlen vom Zaun brach und in der Folge von ihrem Sparringspartner – dem britischen Volk – fast ausgeknockt wurde.

Doch auch die EU kann sich des Sieges nicht sicher sein. Zu sehr hat sie sich bisher auf Talent, Glück und Improvisationskunst verlassen. Für diesen Kampf, der lang sein und an der Substanz zehren wird, ist aber eine taktische Meisterleistung nötig. Nicht ausgeschlossen, dass beide zu Boden gehen – hoffentlich bleiben sie nicht liegen. (Gianluca Wallisch, 16.6.2017)