Wo Radweg draufsteht, ist nicht immer Radweg drin: Im Radwegenetz jeder Stadt gibt es schlecht durchdachte oder gar gefährliche Knotenpunkte. Diese aufzudecken ist das Ziel eines Forschungsprojekts.

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Salzburg/Wien – Die Zufahrt führt noch zur Kreuzung – und plötzlich ist der Radweg aus. Ein kurzer Blick, dann die Entscheidung: Auf der Straße weiterfahren oder den Gehweg als Mehrzweckstreifen missbrauchen? Eine Alltagssituation. Besonders deshalb interessant für das Projekt Bikealyze.

Das IT-Forschungsinstitut Salzburg Research hat diesbezüglich eine Naturalistic-Cycling-Studie, also eine Radfahrstudie unter natürlichen Fahrbedingungen, durchgeführt. "Radler und Radlerinnen wurden auf ihren Wegen mit der zu testenden Technik ausgestattet und ihre Daten bei jeder Strecke unter Einhaltung des österreichischen Datenschutzgesetzes erfasst", sagt Sven Leitinger, Projektleiter von Salzburg Research.

Sowohl die Routen der Radfahrer als auch ihr Verhalten auf der Strecke wurden aufgezeichnet. Am Fahrrad montiert: ein Smartphone mit der entsprechenden App am Lenker und eine Go-Pro-Kamera auf dem Helm des Radlers. Insgesamt wurden 24 Radfahrer mit der Technik ausgestattet, um zu testen, wie effektiv die einzelnen Tools sind, um Mängel in der Infrastruktur für Radfahrer zu ermitteln. Zwölf Probanden wurden in Wien bei ihren täglichen Ausfahrten untersucht und ebenso zwölf in Salzburg.

Ausgewertet wurden zwei Feldmessungen. Einerseits wurden für zwei Monate die Alltagswege der Probanden aufgezeichnet. Bei jeder Ausfahrt mit dem Fahrrad musste die technische Ausrüstung mitgeführt werden. Andererseits wurden auch zwei Teststrecken in jeder Stadt ausgewählt, um das Verhalten der Radfahrer bei besonders heiklen Verkehrssituationen zu testen. Die Teststrecken seien aufgrund der Erfahrung ausgewählt worden, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Richard Brunauer. Auf den Strecken lagen etwa Kreisverkehre, unübersichtliche Kreuzungen oder komplizierte Ampelregelungen. Oft sei auch durch die Straßenverkehrsordnung nicht klar geregelt, was die korrekte Fahrweise wäre.

Ein Beispiel in der Stadt Salzburg ist die Kiesel-Kreuzung beim Nelböck-Viadukt. Vom Bahnhof kommend, gibt es hier unterschiedliche Strategien, um links abzubiegen. Entweder die Radfahrer fahren auf dem Radweg gegen die Einbahn am Zebrastreifen entlang, oder sie queren die Kreuzung auf der Fahrbahn mit den Autofahrern. Das wird aus den Streckenaufzeichnungen ersichtlich.

Datenerhebung per Handy

Das Ziel der Pilotstudie, die im Programm "Mobilität der Zukunft" vom Verkehrsministerium gefördert wurde, sei es in erster Linie, die Möglichkeiten der vorhandenen Technik und ihre Eignung als Untersuchungsinstrument abzutesten, und nicht, ob Kreuzungen nun gut oder schlecht geplant sind, betonen die Projektverantwortlichen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen soll dann ein einfach bedienbares Produkt entwickelt werden, das Städte für regelmäßige Tests ihrer Radinfrastruktur einsetzen können. Dafür ist eine breitere Datenerhebung notwendig, die in einem Folgeprojekt durchgeführt werden soll, sagt Burnauer.

Herzstück der Messungen ist das Smartphone: Es ermittelt mittels GPS den Standort des Radfahrers, misst die Geschwindigkeit und Beschleunigung sowie die Winkelgeschwindigkeit, die angibt, wie schnell sich etwas dreht. Das erledigen die Sensoren der Inertial Measurement Unit (IMU) im Smartphone, die auch in Schrittzählern und Fitnessarmbändern enthalten ist.

Helmkamera und GPS

Auch Unebenheiten oder Schlaglöcher im Bodenbelag sowie abrupte Bremsmanöver konnten aufgrund der erhobenen Daten ermittelt werden. Zusätzlich wurden die Radstreckentester mit einer Helmkamera ausgestattet, die die täglichen Strecken mitfilmte, um die Gründe für schnelle Stopps oder waghalsige Manöver aufzuzeichnen.

"Die Herausforderung ist jedoch nicht so sehr das Messen der Daten, sondern die Analyse", sagt Brunauer. Er war für die Datenauswertung zuständig und entwickelte eigene Algorithmen zur Analyse der Daten. "Die Techniken liefern eine unglaubliche Masse an Daten. Es ist nur dann praktikabel, wenn diese Daten automatisiert ausgewertet werden", sagt Brunauer.

Das Forschungsprojekt zeigte auch die noch bestehenden Grenzen der Technik auf. GPS-Signale etwa seien noch nicht so genau, dass bei der Auswertung der Daten festgestellt werden könne, ob ein Radfahrer auf dem Radstreifen oder auf dem angrenzenden Gehweg fährt. Und auch die Auswertung des Mobile Eye Tracking, der Analyse der Augenbewegungen, stellte sich als problematisch heraus. "Momentan gibt es noch keine geeigneten Analysealgorithmen, die das auswerten können", sagt Brunauer. Das soll sich künftig ändern – ebenso wie der Zustand so mancher Radwege. (Stefanie Ruep, 21.6.2017)