Die Brandkatastrophe von London kam für Kenner des englischen Wohnungssystems nicht überraschend. Zumal sie sich in einem Gemeindebau ereignete. Dafür gibt es Gründe:

· Erstens: Seit den Thatcher-Jahren wurden in London 90 Prozent des sozialen Wohnungsbestands privatisiert. In öffentlichem Besitz blieb der Rest, in dem sich heute technische und soziale Probleme konzentrieren. Gemeindebauten wurden "No-go-Areas", notdürftig verwaltet von ineffizienten privaten Hausverwaltungen.

· Zweitens: Das in England ansässige World Fire Statistics Centre listet seit Jahren UK an der Spitze der Länder mit den meisten Feuertoten und höchsten durch Brände verursachten volkswirtschaftlichen Schäden auf. Ursachen: unzureichende gesetzliche Bestimmungen, Schlamperei bei Bau und Kontrolle, Profitgier. Österreich liegt am anderen Ende der Weltstatistik. Trotzdem könnte das Desaster ein Anlass sein, das von der Dämmstofflobby erzwungene Dogma der Vollisolierung von Gebäuden zu überdenken.

· Drittens: Die unter Innenministerin May erfolgte finanzielle Aushungerung von Polizei und Feuerwehr führte zu Personal- und Ausrüstungsmangel. In England dauert es etwa doppelt so lange wie im europäischen Schnitt, bis die Feuerwehr am Brandort eintrifft.

Arme in London sind erhöhter Gefahr ausgesetzt, auch wenn sie, wie in diesem Fall, seit Jahren auf Mängel aufmerksam machten. Der "Guardian" nannte Mays Weigerung, mit Angehörigen der Opfer zu sprechen, "Ausdruck der Verachtung der Armen". Gleiches könnte man für die neoliberale (Wohnungs-)Politik sagen. (Wolfgang Förster, Werner Taibon, 20.6.2017)