Selbst für altgediente Nordkorea-Beobachter kam der tragische Tod Otto Warmbiers unerwartet: Zwar ist bekannt, dass der Umgang des Kim-Regimes mit seinen Dissidenten zuweilen an die Gräuel Nazideutschlands erinnert, doch inhaftierte US-Bürger wurden bisher vornehmlich als Druckmittel gegenüber Washington missbraucht. Pjöngjang hat daher für gewöhnlich ein Interesse, die Geiseln körperlich unversehrt zu halten.

Umso schockierender, was Otto Warmbier in der Haft passiert sein muss. Ob bewusst angeordnete Misshandlungen zu seinem Tod führten oder eine Vergiftung – fest steht: Nordkoreas Regime hat den 22-Jährigen auf dem Gewissen. Eine rationale Strategie lässt sich dahinter kaum erkennen, schließlich hat sich Pjöngjang mit dem De-facto-Mord vor allem ins eigene Fleisch geschnitten. Die US-Regierung, die sich diese Woche mit der chinesischen Seite zu Verhandlungen trifft, wird auf strengere Sanktionen gegen Nordkorea pochen und ihre Isolationspolitik weiter forcieren.

Dennoch täuscht die verbale Verurteilung durch Trump nicht darüber hinweg, dass der Spielraum für Sanktionen nahezu ausgereizt ist. Schließlich wird sich China nicht zwingen lassen, die für Pjöngjang wichtigen Öllieferungen einzustellen. Und einen militärischen Erstschlag wird Donald Trump nicht riskieren wollen – auch wegen der 25 Millionen Menschen, die nur eine Autostunde südlich der nordkoreanischen Grenze im Ballungsraum Seoul leben. (Fabian Kretschmer, 20.6.2017)