Schüssel will nichts mit "Dr. Lüssel" zu tun haben: "Ihre Verschwörungstheorien können Sie in den Kamin schreiben."

Foto: Heribert Corn

Gusenbauer verteidigt den Darabos-Vergleich: "Eine ausgezeichnete Leistung."

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Wien – Die zwei waren in der Sache Gegner: Wolfgang Schüssel hat als schwarz-blauer Kanzler den Kauf der Eurofighter durchgesetzt, der Sozialdemokrat Alfred Gusenbauer selbigen als Oppositionsführer bekämpft. Dennoch mussten beide am Dienstag im Untersuchungsausschuss bezüglich der Causa Rede und Antwort stehen – formal als Zeugen, in den Augen mancher Abgeordneten aber durchaus als Angeklagte.

Mehrere Vorwürfe stehen im Raum. Der erste dreht sich um jenen Vergleich, den der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos 2007 mit dem Hersteller der Flieger geschlossen hatte, nachdem die SPÖ in die Regierung gekommen war: Statt 18 Jets wurden nur 15 in einer abgespeckten Variante geliefert. Doch von jenen 370 Millionen an Einsparungen, die Darabos auswies, fand der Rechnungshof nur 267 Millionen, und Oppositionelle kritisieren: Der Minister habe die Chance auf den von der SPÖ einst propagierten Ausstieg zugunsten eines schlechten Vergleichs vertan.

Auch Schüssel hält nichts von Darabos' Ergebnis, jedoch aus anderen Gründen. Der Minister hätte an der Lieferung im ursprünglichen Ausmaß festhalten sollen – dann wäre die Luftraumsicherung für 40 Jahre gesichert gewesen.

Zum "Wundern" findet der Ex-ÖVP-Chef – optisch gealtert, aber schnell mit Kopf und Mundwerk – Darabos' Vorgangsweise. "Unter Missachtung des Haushaltsrechts" habe dieser weder das Finanzministerium eingebunden noch militärische Experten, die den Kaufvertrag ausgehandelt hatten. "Er hat einen Handschlagvertrag gemacht", sagt Schüssel, "das halte ich juristisch nicht für vertretbar." Als Darabos dem Ministerrat dann ein "Wischiwaschi-Papier" zum Vergleich ohne Details vorgelegt habe, sei die Zustimmung der ÖVP unmöglich gewesen: Darabos habe das Ergebnis allein zu verantworten.

Doch hat die ÖVP die SPÖ nicht in den Vergleich gedrängt? Die Opposition vermutet: Schüssel habe es 2007 zur Koalitionsbedingung gemacht, dass die SPÖ die Ausstiegsvariante ad acta legt. Dieser sieht darin ein "Schauermärchen": Vereinbart worden seien nur generelle Bekenntnisse zur Luftraumüberwachung und Vertragstreue – hätte die SPÖ einen vertraglich verankerten Ausstiegsgrund gefunden, hätte sie diesen durchsetzen können. Nachsatz: "Auch physisch hätte ich Gusenbauer mit meinen 75 Kilo nicht in Schwierigkeiten bringen können."

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"Dieser Einschätzung will ich nichts entgegenhalten", sagt der Angesprochene im Anschluss: "Und wie einige wissen: Alfred Gusenbauer kann man weder erpressen noch unter Druck setzen noch einschüchtern." Darabos habe "in seiner Ministerverantwortung" den Vergleich deshalb geschlossen, weil der versuchte Ausstieg viel zu hohe Risiken gehabt hätte: Auch er selbst habe sich dieser Einschätzung des beigezogenen Rechtsexperten Helmut Koziol angeschlossen, sagt Gusenbauer. Angesichts der schlechten Ausgangslage habe Darabos eine "ausgezeichnete Leistung geboten".

Der Grüne Peter Pilz hält ein Schreiben einer in die Causa verwickelten Firma von Februar 2006 entgegen, laut der Eurofighterhersteller EADS der Republik wegen nicht erfüllbarer Vertragsbedingungen womöglich 400 Millionen Euro nachlassen hätte müssen. Gusenbauer quittiert dies, genauso wie andere vermeintliche Belege für die These, Darabos habe lausig verhandelt: Er sehe diese Papiere heute zum ersten Mal.

"Dr. Lüssel"

Ein anderes Pilz'sches Dokument betrifft wieder Schüssel. Laut Ermittlung der Staatsanwaltschaft München soll ein EADS-Manager 2002 mit dem damaligen Kanzler und anderen Spitzenpolitiker Gespräche geführt haben. Mutmaßliches Ziel in der Auslegung des Grünen: Die Kosten sollten in Form eines "Systempreises" verschleiert werden, sodass der Eurofighter mit billigeren Alternativen konkurrenzfähig ist.

Er habe derartige Gespräche nicht geführt, widerspricht Schüssel, sondern alle Anfragen von EADS an die zuständigen Ministerien weitergeleitet. Das Gleiche gelte für ebenso thematisierte Kontaktversuche von Lobbyisten: Laut Staatsanwaltschaft München ist in Unterlagen im Zusammenhang mit der Londoner Briefkastenfirma City Chambers Limited, die von EADS 8,4 Millionen Schmiergeld erhalten und verteilt haben soll, von Gesprächen zwischen Lobbyisten und Politikern wie "Dr. Lüssel" die Rede.

Während Pilz dies als Beleg sieht, dass ein Kanzler mit einer "Schmiergeldfirma" Kontakt gehabt habe, sagt Schüssel: "Das beweist gar nichts." Abgesehen davon, dass er keinen Dr. Lüssel kenne, gehöre es zum Geschäft von Lobbyisten, mit allen möglichen Gesprächen zu prahlen, die nie stattgefunden hatten: "Ihre Verschwörungstheorien können Sie in den Kamin schreiben." (Gerald John, 20.6.2017)