Ein Besuch des Regierungschefs in Athen, ein Interview des Staatschefs mit dem portugiesischen Fernsehen, ein Botschafter, der still und leise zurückkehrt nach Wien, in die "Hauptstadt des radikalen Rassismus". Nach monatelangen Beschimpfungen und beispiellosen Ausfällen ist die türkische Führung wieder nett zu den Europäern. Österreichs Botschafter in Ankara wurde bei einem offiziellen Abendessen zum Fastenbrechen unlängst gar an den Tisch des Präsidenten platziert. Gut möglich, dass Tayyip Erdoğan demnächst selbst einem Niederländer wieder die Hand schüttelt, deren "verdorbenen Charakter" er vor kurzem noch in Reden angeprangert hat.

Aber Tayyip Erdoğan hat erreicht, was er wollte: den offiziellen Sieg beim Referendum über die Einführung eines Präsidialregimes. Alles andere war ja nicht mehr wichtig – Umgangsformen, diplomatische Beziehungen, der Beitritt zur Europäischen Union. Erdoğan hat die europäische Zukunft der Türkei verspielt, um seine eigene Macht zu sichern.

Auf die groß angekündigte radikale Neubewertung der Beziehungen zur EU am Tag nach dem Referendum wartet das Publikum auch noch zwei Monate nach dem Volksentscheid. Die türkische Führungsriege ist stattdessen nach Brüssel geflogen und hat ihren Wunsch nach einem neuerlichen Engagement mit Europa kundgetan. Die Scherben versucht sie wegzukehren, um den einen großen Schaden – den Bruch mit dem wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Partner Deutschland – tänzelt sie herum. Der lässt sich nicht mit einem Fernsehinterview im Präsidentenpalast oder einem Platz am Abendtisch beheben.

Am 6. Juli will EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn, der "unverschämte Mann", wie ihn Erdoğan nannte, nach Ankara reisen. Neues anzubieten hat der Kommissar nicht. Es wird auch der Tag sein, an dem das Europaparlament seine Resolution zum Türkei-Bericht annehmen wird. Die Berichterstatterin empfiehlt Kommission und Mitgliedsländern die Aussetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei, sollten die Verfassungsänderungen mit der Abschaffung der parlamentarischen Demokratie umgesetzt werden. (Markus Bernath, 21.6.2017)