Am Dienstag läuft auf TNT Comedy die allerletzte Folge von "Girls". Vier langjährige Begleiterinnen des STANDARD verabschieden Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna und erklären, was die Serie für sie war: große Liebe, feministisches Vorbild, generationenverbindender Erkenntnisträger und mehrjährige Herausforderung.

Ein verliebtes Mädchen – Warum der Dreck guttut

"Girls" war keine Liebe auf den ersten Blick, keine Schmetterlinge im Bauch. Nix. Aber irgendwas war bei "Girls" anders als bei anderen Serien. Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna sind keine besten Freundinnen, zwischen ihnen ist nicht alles super. Sie treffen sich nicht zum Frühstücken und Cocktailtrinken, um ihre eh schon blendende Beziehung zueinander zu feiern. Es gibt keinen inneren Kreis, der gemeinsam gegen die Welt antritt. Hier wurde gegeneinander gekämpft, es wurden Entscheidungen bekrittelt, vieles besser gewusst, und am Ende gingen Freundschaften auch zu Bruch. Die Ehrlichkeit, das Räudige waren Gründe, warum ich und "Girls" in einer Langzeitbeziehung geendet sind.

Hier musste sich niemand verstellen: Die jungen Frauen durften grauslich oder nervig sein. Marnie konnte allen erklären, was sie eigentlich zu tun hätten, von der Schminke bis zur Partnerwahl. Hannah konzentrierte sich vor allem auf Hannah. Shoshanna hatte die schönsten Frisuren und hielt die besten betrunkenen Wahrheitsansprachen. Und Jessa? Keine Ahnung – die hab ich bis zum Schluss nicht durchschaut.

Oft ist zu hören, dass die vier allesamt die größten Unsympathlerinnen sind, die das Fernsehen seit langem über den Schirm flimmern ließ. Oder dass niemand im echten Leben mit diesen selbstsüchtigen Egoistinnen befreundet sein möchte. Aber in diesem sogenannten echten Leben sind wir doch alle noch viel egoistischer, selbstsüchtiger und schrulliger – und reden auch noch miteinander. Manchmal sind wir sogar trotzdem miteinander befreundet.

"Girls" und ich, das funktioniert genau deswegen. Weil die Autorin Lena Dunham hier Charaktere zeigt, die ein bisserl dreckig sein dürfen. Weil bei Sexszenen der Bauch schwabbeln darf. Weil die Männer mal zum Verlieben und mal zum Abwatschen sein können. Und die Frauen auch. Ich glaub, wir werden miteinander alt werden.

(Michaela Kampl, 24.6.2017)

Foto: Sky

Die Goldenen Jahre des TV-Feminismus – Warum Ego manchmal politisch ist (Achtung: Spoiler!)

Ihre Mutter Loreen sitzt mit Hannah in einem Restaurant. Ein wenig wie in der allerersten Szene von Girls.Diesmal ohne Vater, dafür mit Babybauch und in düsterer Stimmung. Loreen stillt ihren drogenbedingten Heißhunger so lange mit chinesischem Essen, bis sie sich übergibt. Direkt am Tisch, mitten im Restaurant. Hannah versucht verzweifelt, ihr eigenes Gesicht mit einer Hand zu verdecken, um diese würdelose Szenerie durchzustehen.

Loreen hat die aktive Phase ihrer Mutterschaft, ihre Ehe und ein Leben im Einfamilienhaus mit Garten hinter sich. Und jetzt? Ist sie allein und verzweifelt. Wo wird Hannah stehen, wenn sie ihrem eigenen erwachsenen Kind gegenübersitzt?

In diesem Stil wälzte Lena Dunham feministische Fragen unserer Zeit. Wie halten wir es nach ein paar Jahrzehnten Feminismus mit Sex, Körpernormen, Arbeit, Freundschaft oder – zum Schluss – Mutterschaft? Ein abgeschmacktes Ende, wendete so manche Kritik gegen dieses Serienfinale ein. Durch nichts wäre Erwachsenwerden leichter demonstriert als durch Mutterschaft. Dabei zeigt die Szene genau das Gegenteil; sie beendet weder Selbstfindungsprozesse noch die Suche nach Glück. Dunham erzählte in Girls die Emanzipationsgeschichten vorangehender Generationen durch die Darstellung des Selbstverständnisses ihrer eigenen Generation, jegliche Möglichkeiten zu haben. Mit allen Mühseligkeiten, die damit einhergehen.

"Alles First-World-Problems weißer Mittelstandsfrauen", lautete die hartnäckigste Kritik. Nicht unbegründet, immerhin wurde im Verlauf der Serie Feminismus plötzlich glamourös und cool. Wie groß Dunhams Anteil am Feminismusboom war und wie sehr der Fokus auf das eigene Milieu und die eigene Hautfarbe diese Entwicklung begünstigte; damit wird man sich in Erinnerung an die "Goldenen Jahre des TV-Feminismus" der Zehnerjahre wohl noch beschäftigen.

(Beate Hausbichler, 24.6.2017)

Foto: Sky

Der Preis der Selbstentblößung – Hannah und die Folgen

Lieblingsmomente der "Girls"-Geschichte gab es immer – nennen wir sie "Hannahismen" -, Worte, Sätze, Gesten, Mimiken, in denen lag die ganze Wahrheit – komisch, irritierend, irrwitzig, traurig, ergreifend, erhellend, aufwühlend. In Staffel fünf, Folge sechs, sitzt Hannah vor ihrem Laptop und schaut den Film von Adam, Titel: Vollständige Offenlegung. Hannah sieht einen jungen Mann und eine junge Frau, die zwei haben Sex, sie kommen und sind jetzt von ihren Gefühlen überwältigt. Er: "Das ist so perfekt, dass es Angst macht." Sie sieht sich und Adam, ihrer beider Vergangenheit, dargestellt von Schauspielern. Wir hören Hannah sagen: "Das ... das ist toll ..., ja toll. Ganz ehrlich ..." Aber sie? Sagt nichts. Schaut zu, sagt nichts. Ende. Hannahismus. Denn jetzt können, sollen wir denken: Wie geht es ihr? Vor allem: Wie würde es mir gehen? Was würde ich tun?

"Girls" war voll von diesen Momenten und immer forderte Lena Dunham die Zuschauer – aber auch sich und macht es noch. Sie stellt ihren Körper aus, gibt Inneres preis und zwar in einer Intensität, die verwundern mag. Ist es wirklich notwendig, so viel von sich offen zu legen? Nacktselfie, Geständnisse, gut einsehbare Blicke auf Schwabbelbauch, Celluliteschenkel, Oberarmwabbel? Natürlich ist es notwendig, den inneren Schweinehund in sich kennenzulernen, der uns hin- und nicht mehr wegschauen lässt, mit einer Mischung aus Faszination und Ekel. Aber das hat seinen Preis. Dunham hat gesundheitliche Probleme, fast so treu wie ihre Fans sind die Frauenhasser hinter ihr, ebenso wie der frauenverachtende Boulevard, der hinter allem fiktive Rufzeichen setzt, etwa neulich "Lena Dunham kaum wieder zuerkennen: Die Haare sind ab". Rufzeichen. Der nächste Shitstorm ist garantiert.

In gewisser Weise hat sich Hannah Horvath geopfert, für uns. Möge sie in Frieden ruhen.

(Doris Priesching, 24.6.2017)

Foto: Sky

Von Müttern und Mädchen – Töchter sollen "Girls" schauen (Achtung: Spoiler!)

Richtig, als "Girls" aufkam, war ich selbst längst keines mehr, sondern hatte eines, das sich mit elf, zwölf Jahren am Beginn der Transformationsphase vom Kind zur Frau befand. Ein Mädchen halt, mein Mädchen, ja, und sicher bald auch ein "girl". Ich war verwirrt. Waren die vier Sex and the City-Frauen in ihrer schnöden Oberflächlichkeit noch darauf ausgerichtet, dass ich mich mit ihnen voll und ganz identifizieren soll – und das, obwohl ich mir niemals ihren Lifestyle, die tollen Apartments und die teuren Designerklamotten hätte leisten können und wollen. Aber darum ging es gar nicht, es ging um den Sex aus weiblicher Perspektive, der da zum Thema gemacht wurde. Das war neu. Zur Girls-Premiere titelte der Spiegel dann "Schlechter Sex in der City" und traf damit den Nagel voll auf den Kopf. Das war auch neu- und noch viel besser. Aber ich war nicht nur verwirrt, sondern hin- und hergerissen: Erinnerten mich die Brüche von Hannah & Co und all das, was einen im Leben vielleicht zurückhaut, aber dann irgendwie auch weiterbringt, an meinen eigenen Weg, oder zeigten sie mir den auf, der meinem "girl" noch bevorstand? Beides, würde ich sagen. So saß ich nicht mehr vor der Glotze, sondern streamte, wenn Partner und Kind schliefen.

Jahre später, knapp bevor Hannah schwanger wurde und aus den "girls" komplizierte Endzwanziger-Existenzen geworden waren und aus meinem Mädchen ein ausgewachsener Teenager, lagen wir gemeinsam mit Laptop auf dem Sofa – zum "Girls"-Schauen. Zurück zum Anfang, Staffel eins, erste Episode: Es war großartig – und es war peinlich. Kurz nach einer ersten, natürlich irgendwie unwürdigen Sexszene, musste das Kind los mit diesem "Was du da schaust"-Blick. Vielleicht zu früh? Fix ist: Sex and the Citydarf getrost in den Archiven der TV-Geschichte verschwinden, Mädchen sollen bitte "Girls" schauen. Vielleicht nicht mit der eigenen Mutter.

(Mia Eidlhuber, 24.6.2017)

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