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St. Pölten – Die niederösterreichischen Sozialdemokraten haben sich am Samstag zu einem außerordentlichen Parteitag in Pölten eingefunden. Auf der Tagesordnung stand die Wahl von Franz Schnabl zum neuen Landesparteivorsitzenden. Der bisherige Personalvorstand bei Magna und ASBÖ-Präsident (Arbeitersamariterbund) wird die SP-NÖ auch als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2018 führen.

Nach Parteiangaben wurden 480 Delegierte im VAZ (Veranstaltungszentrum) erwartet. Am Programm standen neben der Rede Schnabls Referate von SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern und vom scheidenden Landesparteivorsitzenden Matthias Stadler. Der St. Pöltner Bürgermeister hatte nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2013 – die SPÖ war auf 21,6 Prozent abgesackt – Sepp Leitner abgelöst, wurde mit 97,1 Prozent gewählt und ein Jahr später mit 95,72 Prozent bestätigt.

Prominentes Aufgebot bei Parteitag

Spitzenkandidatur und Parteivorsitz müssten in einer Hand sein, meinte Stadler anlässlich der Designierung Schnabls durch Präsidium und Vorstand Ende April. Er selbst sei den St. Pöltnern nach der Gemeinderatswahl im Vorjahr, bei der die SPÖ ihre absolute Mehrheit weiter ausbaute, verpflichtet. Die SPÖ wolle "eine bestimmende Kraft in diesem Land sein", betonte Schnabl damals nach seiner Kür. Er halte es für "möglich, nach der Ära Pröll einen Aufbruch in Niederösterreich zu erreichen".

Am Samstag waren u.a. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, Staatssekretärin Muna Duzdar, Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek, Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Ehrenvorsitzender Alt-LHStv. Ernst Höger sowie der frühere Innenminister Karl Schlögl, Bürgermeister von Purkersdorf, und Alt-Vizekanzler Hannes Androsch erschienen. Den Auftakt der Veranstaltung machten vier schwarz gekleidete Trommler, die zu Beginn ihrer mehrminütigen Performance Ketten zu Boden warfen, und ein Video mit Impressionen aus dem Bundesland und seinen Menschen, begleitet vom Joe-Cocker-Song "With a little help from my friends".

Kern sprach von Neubeginn

Bundeskanzler Christian Kern hat in seinem Referat von einem "Neubeginn" gesprochen. Er dankte dem scheidenden Landesparteivorsitzenden Matthias Stadler, der die Weichen für die "Orientierung für die Zukunft" gestellt habe. Franz Schnabl sei "in exzellenter Weise" auf seine neuen Aufgaben vorbereitet und dafür geeignet.

Schnabl wisse um die Sorgen und Erwartungen der Menschen. Kern blickte zurück, dass er selbst fast auf den Tag genau vor einem Jahr – am 25. Juni 2016 – zum Bundesparteivorsitzenden gewählt worden war. "Einen Tag vorher war von Gelassenheit keine Spur mehr", erinnerte sich der Bundeskanzler.

Es müsse darauf geachtet werden, "dass sich die Stärkeren um die Schwachen kümmern und dass niemand zurückbleibt", erklärte Kern. Es gelte dafür zu sorgen, dass Österreich an der Spitze der Nationen stehe, sich das Land nicht in Gewinner und Verlierer teile und der Aufschwung bei allen ankomme. "Wir haben für die Mittelschicht einzustehen, weil es sonst niemand anderer tun wird", betonte der Bundesparteichef.

"Besser, nicht billiger"

Es dürften nicht die 95 Prozent der Leistungsträger das Gefühl haben, "dass immer nur die fünf Prozent Privilegierten in unserem Land gewinnen". Hinter den fünf Prozent würden die 0,5 Prozent der Meinungsmacher und reichen Gönner stehen, "die es sich immer richten konnten". Diese "sehnen sich nach der Periode der schwarz-blauen Regierung" und wollten die Zeit zurückdrehen. "Das wollen wir verhindern. Das ist der Grund, warum wir die Wahl gewinnen werden und gewinnen müssen", erklärte Kern vor der Nationalratswahl am 15. Oktober. Die SPÖ werde darauf schauen, dass die "wahren Leistungsträger ihren gerechten Anteil bekommen" – etwa Arbeiter, Polizisten oder Laborangestellte.

Zuletzt sei es in der Politik um Poker und Posten gegangen, der SPÖ gehe es hingegen um Verantwortung. Es hätte auch für die SPÖ Gründe gegeben, Neuwahlen vom Zaun zu brechen, die Partei habe dies aber bewusst nicht getan. "Mit Österreich spielt man nicht", betonte Kern. Er kündigte die Vorstellung von "ganz konkreten politischen Projekten" an.

"Einiges hätte ich mir gerne erspart"

Als Zukunftsbild des Landes zeichnete er "ein Österreich, das auf Heimatliebe setzt und niemanden ausgrenzt, ein Österreich, das auf die Zukunft schaut". Das Land müsse "besser und nicht billiger" sein als die Konkurrenz. Das wichtigste Ziel des "Plan A" sei, 200.000 zusätzliche Jobs zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Kern verwies u.a. auf die Bedeutung von Investitionen in Bildung und die Forderungen nach einem Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kindergartenplatz ab dem ersten Jahr sowie nach einem Mindestlohn von 1.500 Euro steuerfrei. "Es kann nicht sein, dass jemand arbeitet und sich anstrengt, aber von seinem Lohn kein ordentliches Leben führen kann."

"Einiges hätte ich mich in dem Jahr gern erspart", gab Kern zu und erwähnte in diesem Zusammenhang "drei Buchstaben – der erste Ö, der letzte P". Sebastian Kurz habe die Partei in eine "Ich-AG" verwandelt, meinte er als Seitenhieb auf die ÖVP. Kern zeigte sich hingegen "1000 Prozent überzeugt, dass die Partei kein Klotz am Bein", sondern die Gemeinschaft wichtig sei. Der Bundesparteivorsitzende erhielt für seine Rede Standing Ovations der rund 480 Delegierten.

"Mehr Zukunft und Sicherheit"

Ähnlich optimistisch gab sich auch der zukünftige Chef vor seiner Wahl. Er sprach von Aufbruch und einer Zeitenwende gesprochen. Die "bleierne Zeit" der "politischen Atemnot" sei vorbei, spielte Franz Schnabl auf die zu Ende gegangene Ära Pröll an und bekundete seinen Gestaltungswillen, um mehr Zukunft und Sicherheit für das Land zu schaffen.

Schnabl dankte seinem Vorgänger Matthias Stadler, der einen "hervorragenden Job" gemacht und gleichzeitig als Bürgermeister die absolute Mehrheit in St. Pölten ausgebaut habe. Es folgte harsche Kritik an der 72 Jahre währenden "Dunkelkammer" und der jahrzehntelangen Landespolitik mit der Absoluten der Volkspartei: Abweichende Meinungen seien bestraft worden – etwa durch gestrichene Bedarfszuweisungen und Subventionen -, kritischen Journalisten sei gedroht worden. Die 1889 im Bundesland gegründete Sozialdemokratie sei die politische Alternative für die suchenden Menschen. "Es sind immer die Sozialdemokraten, die Fortschritt, Demokratie und Freiheit für das Land durchsetzen. Wir müssen das auch bei der nächsten Nationalratswahl und der Landtagswahl in Niederösterreich tun", so Schnabl.

Leistungsfähige Infrastruktur

In seiner Zeit als Polizist habe er gelernt, dass Gelegenheit Diebe mache. Steueroasen müssten daher genauso bekämpft werden wie Einbrecherbanden, betonte der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2018, der in Raach am Hochgebirge im Bezirk Neunkirchen aufgewachsen ist. Es brauche mehr an Ressourcen in der Exekutive, die SPÖ fordere 2.500 Polizisten mehr für Österreich. Die von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) angekündigte 90 Millionen Euro-Investition in die digitale Zukunft sei "viel zu wenig". Es brauche eine leistungsfähige Infrastruktur.

Das Potenzial des Landes werde nicht ausgenutzt, meinte Schnabl. Niederösterreich stehe nicht schlecht da, in vielen Bereichen könnte aber vieles besser sein. Schnabl verwies auf die hohe Pro-Kopf-Verschuldung in NÖ und die nach Wien zweithöchste Kriminalitätsrate. Das sei Ergebnis einer "Landespolitik mit schwarzer Handschrift". Über 30.000 Beschäftigte würden weniger als 1.500 Euro im Monat verdienen, das sei "eine Schande". Schnabl kritisierte Einsparungen bei den Ärmsten und Pensionisten und sprach sich für die Abschaffung des Pflegeregresses aus. "Wir sind die Sicherheitspartei, weil Solidarität heißt Sicherheit."

Es gebe es im Land keinen Plan, leistbares Wohnen zu fördern, trat Schnabl u.a. für eine verpflichtende Quote an sozialem und gemeinnützigem Wohnraum bei der Umwidmung in Bauland ein. Mehr als 250.000 Niederösterreicher müssten täglich zur Arbeit auspendeln. In Zeiten des digitalen Wandels müsse durch entsprechende Infrastruktur die Chance genutzt werden, Arbeitsplätze im Land zu schaffen.

Es dürfe nicht länger sein, dass die Landesregierung im Geheimen Förderungen beschließe, und dass bei Wahlen Name vor Partei gelte. Er kündigte eine "inhaltlich harte Auseinandersetzung in der Sache" im Wahlkampf an.(APA, 24.6.2017)