Nach 31 Jahren im Nationalrat haben die Grünen beim Bundeskongress in Linz Peter Pilz im Kampf um Listenplatz vier hinausgekickt.

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Die Grünen künftig ganz in Frauenhänden: Ingrid Felipe (links) wurde mit klarem Votum zur neuen Parteichefin, Ulrike Lunacek zur Spitzenkandidatin gewählt.

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Die eigentliche Überraschung ging beim 38. Bundeskongress der Grünen in Linz erst am späten Nachmittag über die Bühne: Das grüne Urgestein Peter Pilz scheiterte bei der Listenwahl.

Pilz kandidierte nur für den vierten Listenplatz, unterlag dann aber im dritten Wahlgang dem jungen Kärntner Julian Schmid. "Es ist eine klare, eindeutige, demokratische Entscheidung. Ich nehme das Ergebnis zur Kenntnis und bedanke mich für 31 Jahre als grüner Abgeordneter. Ich werde meine Arbeit bis zur Wahl eines neuen Nationalrats fortsetzen. Und dann beginnt für mich ein drittes Leben – sehr spannend. Vielen Dank und auf Wiedersehen."

Schock an der Spitze

Die frischgebackene grüne Bundessprecherin Ingrid Felipe, von den Delegierten gewählt mit 93,7 Prozent, zeigte sich nach der überraschenden Abwahl von Pilz im STANDARD-Gespräch "betroffen und schockiert". Es gelte, jetzt rasch "diese Lücke zu füllen". Und sie habe mit Peter Pilz bereits gesprochen und ihn gebeten, "auch weiter für die Grünen zur Verfügung zu stehen".

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Abseits der Basisdemokratie sorgte vor allem die Technik an diesem so denkwürdigen Tag für grüne Disharmonie. Die digitalen Abstimmungsgeräte versagten nämlich mehrfach ihren Dienst.

Und selbst das Tablet von Ulrike Lunacek begab sich inmitten des entscheidenden "Bewerbungsgesprächs" offensichtlich und plötzlich in die Sonntagsruhe. Lunacek löste das heikle Problem aber durchaus souverän, sprang kurzerhand von der Bühne und hechtete mit analoger Redeunterlage dorthin zurück. Und auf das Endergebnis wirkte sich das grüne "Blackout" nicht weiter negativ aus: Lunacek wurde mit 96,5 Prozent zur Spitzenkandidatin für den Nationalratswahlkampf gekürt.

Kein "Superstar-Contest"

"Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie Österreich in Richtung Orbán geht. Und vor allem kann ich es nicht zulassen, dass die Österreicher noch einmal den Preis einer blauen Regierungsbeteiligung zahlen müssen, denn dieser Preis war eindeutig zu hoch", führte Lunacek in ihrer Rede aus.

An politischem Selbstbewusstsein mangelt es der EU-Politikerin nicht: "Wir können die Wahl am 15. Oktober gewinnen. Es wird nämlich nicht der Contest 'Österreich sucht den Superstar' entschieden, auch wenn sich die Herren Kurz und Kern derzeit alle Mühe geben."

SPÖ und ÖVP seien in den letzten Monaten "in einem atemberaubenden Tempo" in Richtung rechts gerückt. Lunacek: "Aber wir machen nicht blau. Ich werde nicht zusehen, wie Strache, der Austro-Trump, Vize oder gar Kanzler wird. Das werden wir Grünen zu verhindern wissen."

Die mehrfach geäußerte Kritik, einziges grünes Wahlprogramm sei es, die FPÖ zu verhindern, lässt die Spitzenkandidatin kalt: "Es ist kein simples taktisches Spiel der Grünen. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft. Das klare Gegenteil der Abschottungspolitik der FPÖ. Wir haben Rückgrat und fallen nicht bei jedem Lüfterl von Gegenwind um."

Sollte der Gegenwind dann doch einmal rauer werden, muss Lunacek bekanntlich nicht allein an der grünen Spitze stehen. Die Tirolerin Ingrid Felipe verzichtete in ihrer Rede weitgehend auf konkrete politische Ansagen, vielmehr galt es, die Partei auf das neue Damenduo einzuschwören: "Ihr kennts mi, i bin a Kämpferin. Aber allein hupf a i net weit. Ein Blick in die Runde macht mich aber zuversichtlich. Grün ist nicht nur eine Farbe, Grün ist eine Haltung. Wir werden im Herbst stark sein, weil es unter uns nicht nur Männer gibt, die dreimal in Babykarenz gehen. Wir werden uns nicht nur im Inhalt, sondern auch im Stil unterscheiden."

Streit um Pilz-Wahlkampf

Man werde um jede Stimme kämpfen, "am Bauernmarkt, im Zeltfest und beim Rockfestival". Klar ist offensichtlich auch die Rolle der Bundessprecherin im anstehenden Wahlkampf: "Ich möchte der Ulrike den Rücken freihalten."

Harald Walser beim grünen Bundeskongress.
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Ganz so einfach will man vonseiten der Parteispitze Peter Pilz aber nicht ziehen lassen. Eine Möglichkeit wäre, ihn über den erweiterten Bundesparteivorstand auf einen der hinteren Listenplätze zu setzen. Uneinig ist man sich aber hinsichtlich einer Finanzierung eines Vorzugsstimmenwahlkampfs. Klubchef Albert Steinhauser kann sich eine Finanzierung vorstellen, EU-Abgeordneter Michel Reimon ist klar gegen eine Finanzspritze. Pilz lehnte diesen Weg aber bereits ab: "Unsere Wege haben sich in Linz getrennt." (Markus Rohrhofer, 25.6.2017)