Für Mark McKoy waren die Hürden auf dem Weg zum Sieg auf der Linzer Gugl 1994 nicht allzu hoch.

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Seit 20 Jahren lebtMcKoy wieder in Toronto. Der vierfache Vater arbeitet als Fitnesstrainer. Und er hält Motivationsvorträge in Firmen und Schulen.

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Also Bier und Schweinsbraten stehen offensichtlich nicht auf dem Speiseplan.

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Im Fitness-Studio und in seinen Reden predigt McKoy den Wert harter Arbeit.

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Toronto/Wien – Mit den Hürden des Lebens verhält es sich ja so: Überspringst du eine, wartet gleich die nächste. Und immer so weiter. Alle Hürden in seinem Leben hat Mark McKoy nicht nehmen können. "Weil ich kein guter Lebensgefährte bin", sagt McKoy zum STANDARD. Mit den realen Hürden hat sich der 55-Jährige leichter getan als mit jenen im Kopf.

Als Kanadier war Mark McKoy Olympiasieger, Weltmeister und Dopingsünder im Hürdensprint, als Österreicher beendete er nach einem 22. Platz bei den Olympischen Sommerspielen in Atlanta 1996 seine Karriere.

Seit 20 Jahren lebt McKoy wieder in seiner Heimat Toronto. Der Wecker läutet jeden Tag um 4:50 Uhr in der Früh, McKoy arbeitet als Fitnesstrainer und hält Motivationsreden in Schulen und Unternehmen. Aus zwei Ehen hat er vier Kinder. Auf seine Karriere als Hürdenläufer ist er stolz, "sie war von vielen Höhen, aber auch vielen Tiefen gekennzeichnet".

Der Dopingschatten

McKoy wurde oft Vierter, der Tiefpunkt war freilich Seoul 1988: Im Zuge des Dopingskandals um 100-Meter-Sprinter Ben Johnson wurde auch McKoy überführt. Nach seinem siebenten Platz im Hürdenfinale sollte er noch im 4-x-100-m-Staffelbewerb laufen, er reiste aber vorzeitig ab. In Kanada gestand er, ebenfalls gedopt zu haben. "Ich habe falsche Entscheidungen getroffen, aber ich bereue sie nicht. Ohne diesen Rückschlag hätte ich später nie so erfolgreich sein können."

McKoy wurde zwei Jahre gesperrt und musste sich nach den Olympischen Spielen einer Achillessehnen-Operation unterziehen. Eine Folge des starken Muskelwachstums und des Dopings? "Möglicherweise. Ich hatte mit meinem Körper und meinem ruinierten Ruf zu kämpfen."

Eine zweite Karrierechance bekam Mark McKoy erst, als ihm Robert Wagner die Türen nach Europa und später nach Österreich öffnete. McKoy kämpfte sich über kleine Meetings in der DDR zurück und erinnert sich an einen Sieg bei den letzten Leichtathletikmeisterschaften des sozialistischen Einheitsstaates im August 1990 in Dresden. Es war "eine aufregende Zeit" , auch weil McKoy bei einem Länderkampf mit Kanada in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) seine erste Ehefrau Yvette kennenlernte.

Liebe in schwierigen Zeiten

McKoy verliebte sich auf der Stelle in die "bildhübsche" 1500-Meter-Läuferin, schickte Briefe, aber nicht alle kamen an. Das war nicht der Schlampigkeit eines Postboten geschuldet, sondern Mitarbeitern des Staatssicherheitdiensts. Zur Gewissheit wurden die Eingriffe der Stasi erst nach dem Fall der Mauer. Die Liebesgeschichte der McKoys wurde dennoch Realität und Jahre später unter dem Titel Cold War Loveverfilmt. McKoy erinnert sich an eine tolle Zeit während seiner Laufkarriere, "aber als wir in Toronto unseren Lebensmittelpunkt fanden, begannen wir uns auseinanderzuleben. Es gab keinen speziellen Grund für die Scheidung. So etwas passiert heutzutage häufiger."

Der Sport war immer Konstante im Leben von Mark McKoy. Als zweitjüngstes von sechs Kindern wuchs McKoy in England auf, in einer strikten Schule stand jeden Tag Bewegung auf dem Programm. Der Vater war Buchhalter, die Mutter Sekretärin. "Niemand in meiner Familie hat mich zum Sport motiviert." In den Schulen Kanadas sind heute "60 Prozent der Kinder fettleibig". McKoy hält auch Turnstunden ab. "Die Hälfte der Kinder kommt in Jeans, auf der Straße starren alle in ihre Smartphones." Seine Message für die Computerkids? "Ich war nicht arm, habe mir aber trotzdem den Arsch aufgerissen."

Von Toronto nach Traun

Vier Jahre nach Seoul sprintete Mark McKoy in 13,12 Sekunden zu Gold über 110 Meter Hürden in Barcelona, 1993 folgte Hallen-WM-Gold über 60 Meter in Toronto. Da lief der Dopingschatten bei McKoy längst nicht mehr mit. "Sobald ein Meeting finanziell von einem Athleten profitiert, ist es wurscht, ob er eine Dopingvergangenheit hat. Es war damals eine scheinheilige Zeit, und es hat sich bis heute nichts geändert", sagt McKoys ehemaliger Manager Robert Wagner.

Ein Jahr später folgte nach dem Bruch mit dem kanadischen Leichtathletikverband der spektakuläre Wechsel nach Österreich. "Mark hätte kanadische Meisterschaften in Vancouver laufen sollen. Am selben Tag war aber auch ein Golden-League-Meeting in Europa. Der 32-Stunden-Flug hin und retour hätte ihn körperlich zusammengehaut", sagt Wagner. McKoy sagte dem Verband ab und wurde für die Leichtathletik-WM 1993 in Stuttgart gesperrt – obwohl er als einziger Läufer das WM-Limit bereits erbracht hatte.

Die Einbürgerung in Österreich dauerte nur wenige Wochen, "das ist in der heutigen Zeit unvorstellbar". McKoy wurde bei seiner Ankunft am Flughafen in Wien von einem Sponsor sogleich mit einem Auto beglückt, in Traun (Oberösterreich) fanden die McKoys ein Haus, trainiert wurde auf dem Landessportfeld in Linz.

Die Erinnerungen

Die Leichtathletik genießt in Europa nach wie vor eine viel höhere Wertschätzung als in Kanada oder den USA. Für olympisches Gold wurde McKoy vom kanadischen Verband nicht honoriert, "dabei bin ich nie fürs Geld gelaufen", sagt der 55-Jährige. "In Österreich wurden meine Erfolge wertgeschätzt, obwohl ich dort gar nicht geboren wurde."

McKoy klingt euphorisch, wenn er über Österreich redet. "In Traun waren die Menschen sehr warmherzig. Da gab es eine Bäckerei gleich ums Eck von unserem Haus, die Mitarbeiter haben oft in der Früh frisches Brot an meiner Tür hängen gelassen, obwohl ich nicht einmal danach gefragt hatte. That was nice!"

Auf der Linzer Gugl ("dort bin ich immer gut gelaufen") gewann McKoy 1994 ebenso wie bei den Hallen-Staatsmeisterschaften im Wiener Dusika-Stadion. Bei der Hallen-WM 1995 in Barcelona verpasste er um vier Hundertstel eine Medaille für Österreich. Seit 1986 hält er den Hallenweltrekord über die selten gelaufene Distanz von 50 Meter Hürden (6,25 Sekunden).

Die Bestimmung

"Die Hürden haben mich ausgesucht, nicht ich die Hürden", sagt McKoy. Es sei eine facettenreichere Disziplin als der Sprint, "du kannst der schnellste Läufer der Welt sein, aber wenn du eine Hürde berührst, bist du disqualifiziert." Internationale Wettkämpfe verfolgt McKoy nach wie vor, eine Leichtathletikkarriere forcierte er bei seinen eigenen Kindern nie. Ballsport bedeutet Spaß, "in der Leichtathletik brauchst du aber eine eigene Mentalität, du musst viele Schläge einstecken können". Seine Arbeit als Trainer ist manchmal frustrierend: "Jugendliche sind heute fragiler als früher, haben sehr viele Ausreden."

Dreimal pro Tag arbeitet McKoy im Fitnessstudio mit Klienten, körperlich ist er topfit. Dazwischen feilt er an Vorträgen, trifft seine Kinder oder trinkt auch gerne mal ein Glas Wein. McKoy: "Ich stehe nicht gerne früh auf. Aber ich tue, was ich tun muss. Viele Leute haben hohe Ziele, wollen aber dafür nicht hart arbeiten." (Florian Vetter, 26.6.2017)