Am Bau rückt die öffentliche Hand Lohn- und Sozialdumping mit Auflagen zu Leibe. Beim Reinigungspersonal für Ämter, Schulen und Behörden wurden die Grundsätze hingegen weggewischt.

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Wien – In den Verfassungsausschuss heute, Montag, schafft es das Vergaberechtspaket nicht. Verloren geben die Regierungsparteien die – aufgrund der Direktvergaben im Schienenpersonenverkehr – umstrittene Materie aber noch nicht. Schon allein deshalb, weil Österreich bei der Umsetzung des Bestbieterprinzips säumig ist und die EU-Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren droht. Nun peilt man einen Kompromiss bis zum Spätsommer an, erfuhr der STANDARD aus den Parlamentsklubs. Für die ultimative Ausschusssitzung wird der 14. oder 15. September anvisiert.

Bis dahin könnten abseits des Streitthemas Verkehr noch Kompromisse gefunden werden. Ein Überdenken der Positionen erachtet die grüne Bauten- und Rechnungshofsprecherin Gabriela Moser beim Thema Reinigungsdienste als dringend notwendig. Der Grund: Sie sind das erste Opfer des neuen Vergaberechts. "Im Ministerialentwurf war das Reinigungspersonal noch drinnen", beklagt Moser. "Laut dem jüngsten Gesetzesentwurf kann eine öffentliche Stelle den Bestbieter nehmen, sie muss aber nicht."

Prekäre Verhältnisse

Das sei insofern ein Rückschlag, als gerade in der Reinigungsbranche und im Facility-Management vielfach prekäre Beschäftigungsverhältnisse herrschten. Hier wäre ein klares Bekenntnis gegen Lohn- und Sozialdumping dringend notwendig gewesen, appelliert Moser. Stattdessen soll es eine Art "Bestbieter light" geben. Ein Qualitäts- und Referenzkatalog sei ebenso ausgespart worden wie die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien. Das erlaubt weiterhin enormen Preiskampf, der vielfach zulasten der Einkommen der Arbeitnehmer ausgetragen wird.

Nutznießer ist die öffentliche Hand. Denn die Erleichterungen gelten, so das Gesetzesvorhaben nicht mehr geändert wird, für hunderte Schulen, Universitäten, Einrichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden, für Ämter, Krankenhäuser, Behörden und öffentliche Wirtschaftsbetriebe. Betroffen sind also tausende Arbeitnehmer, bevorzugt minderqualifizierte Frauen, meist Zuwanderer im sogenannten "persönlichen Dienst".

Wenig Lobby

Sie sind der für Hotel, Gastgewerbe, persönlichen Dienst und Verkehr zuständigen Dienstleistungsgewerkschaft Vida kaum ein Anliegen – zumindest im Vergleich zum Abwehrkampf, den Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit gegen die von der ÖVP forcierte Liberalisierung des öffentlichen Schienenpersonenverkehrs seit Wochen führt.

Am Sonntag geißelte der Vida-Chef das von der ÖVP verlangte Verbot von Direktvergaben bei der Bahn erneut. Sollte die ÖVP-Forderung verwirklicht werden, wären österreichische Arbeitsplätze massiv gefährdet, wetterte der ÖBB-Betriebsratschef. Er warnte vor "Golden Plating", also einer Übererfüllung der EU-Vorgaben im Vergaberecht. Denn 70 Prozent der EU-Länder führten nach wie vor Direktvergaben durch.

Auf Anfrage des STANDARD verwies Hebenstreit am Sonntag auf künftige Verbesserungen in der Reinigungsbranche gegenüber dem Status quo. Dies freilich mit der Hintertür, dass in der Reinigungsbranche trotzdem unverändert der Billigstbieter zum Zug kommen kann, was Dumpingpreise zur Folge haben kann.

Appell für Verbesserungen

Enttäuscht über die Doch-nicht-Einigung beim Vergaberechtspaket in letzter Minute zeigte man sich auch bei dem auf Abwicklung von Vergaben spezialisierten Auftragnehmerkataster Österreich (Ankö). "Es wäre schade, wenn das gesamte Vergaberechtspaket wegen Differenzen in einem Einzelbereich nicht beschlossen würde", sagte Ankö-Chef Alfred Jöchlinger dem STANDARD. Das geplante neue Bundesvergaberecht bringe zwar Verbesserungen, weil ein Auftragnehmer innerhalb einer Behörde nur mehr einen Antrag auf Eignung für öffentliche Aufträge einbringen müsse. Noch besser wäre es aber, wenn die Behörden ihre eigenen Datenbestände (aus Firmenbuch, Gewerberegister etc) harmonisieren und die Anforderungen vereinheitlichen würden.

Die Implementierung der EU-Vergaberichtlinie sei auch deshalb erstrebenswert, weil sie Transparenz bei der Eignung der Anbieter bringe und Hürden entferne. Auf das Single Procurement Document etwa können EU-weit alle Ausschreibungsbehörden zugreifen. Mit Einrichtung kompatibler elektronischer Kataster entfällt dann auch die kostenpflichtige Veröffentlichung in der Wiener Zeitung. Sie koste allein die Wirtschaft pro Jahr 15 Millionen Euro, kritisiert die Wirtschaftskammer. Noch einmal so viel fallen bei den öffentlichen Auftraggebern an. (Luise Ungerboeck, 26.6.2017)