Am Ort der Ermordung des russischen Regierungskritikers Boris Nemzow in Moskau befanden sich Blumen und Kerzen zum Gedenken, aufgenommen am Montag, 9. März 2015.

Foto: APA/Herwig Höller

Moskau – In dem Moskauer Prozess wegen Mordes an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow wird am Dienstag das Urteil der Geschworenen über fünf Angeklagte erwartet. Der frühere Vizeministerpräsident Nemzow war am 27. Februar 2015 auf einer Brücke in Sichtweite des Kremls erschossen worden.

Die Angeklagten stammen aus der Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus. Weil einer von ihnen damals in einem Bataillon des tschetschenischen Innenministeriums diente, wird der Fall vor einem Militärgericht verhandelt. Die Männer hatten kurz nach ihrer Festnahme Geständnisse abgelegt, diese im Verlauf des Prozesses aber widerrufen.

Die Anklage geht von einem Auftragsmord aus, wobei sich der angebliche Auftraggeber aus Russland abgesetzt haben soll. Der Angeklagte Saur D., ein Ex-Polizist, soll die tödlichen Schüsse abgegeben haben. Ansor G. steht als Fahrer des Fluchtwagens vor Gericht.

Tschetschenische Verbindung

Nemzows Familie vermutet die Hintermänner in der tschetschenischen Führung unter Republikchef Ramsan Kadyrow. Die Anwälte der Familie haben vergeblich versucht, Kadyrow als Zeugen vorladen zu lassen.

Der Mordfall steht auch für das heikle Verhältnis zwischen dem ehemals abtrünnigen Tschetschenien, das unter großem Blutvergießen zurückerobert wurde, und der Führung in Moskau. Auch im Fall der ermordeten Journalistin und Kreml-Kritikerin Anna Politkowskaja 2006 versandete die Spur letztlich in Tschetschenien.

Der Reformpolitiker Nemzow machte Karriere als Gouverneur des Gebietes Nischni Nowgorod an der Wolga und diente unter Staatschef Boris Jelzin 1997/98 als Vizeministerpräsident. Mit dem neuen Präsidenten Wladimir Putin überwarf er sich und war dann in der zersplitterten russischen Opposition einer der bekannteren und angeseheneren Politiker. (APA, 27.6.2017)