Wien – Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses wird erneut auf die lange Bank geschoben. Im Verfassungsausschuss am Dienstag wurde deutlich, dass es bis Herbst in dieser Causa keine Einigung mehr geben wird. Bereits seit viereinhalb Jahren verhandeln die Parteien über ein Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Doch für die Durchsetzung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die bis dato nicht gefunden werden konnte.

Die SPÖ macht die ÖVP für das Scheitern verantwortlich und erinnert daran, dass Sebastian Kurz selbst einst die Abschaffung des Amtsgeheimnisses gefordert hatte. ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl wiederum erklärt, dass für einzelne Gesetzesbestimmungen keine Verfassungsmehrheit gefunden werden konnte.

Grüne zweifeln an Ernsthaftigkeit

Grüne und Neos forderten bis zuletzt die Schaffung dieses Gesetzes und gingen von ihrer Forderung ab, einen "Informationsfreiheitsbeauftragten" zu schaffen, der von ÖVP und SPÖ abgelehnt wurde. Der grüne Klubchef Albert Steinhauser äußerte jedoch Zweifel, dass es die Regierungsparteien mit dem Gesetz jemals ernst gemeint hätten.

Für den Neos-Abgeordneten Nikolaus Scherak gibt es in der Angelegenheit ein grundsätzliches Problem, es brauche ein generelles Umdenken in Sachen Amtsverschwiegenheit, denn immer, wenn es um Transparenz im Staat gehe, "kriegen wir es nicht auf die Reihe". Umgekehrt wolle der Staat selbst immer mehr Informationen über die Bürger sammeln.

Für die FPÖ waren für eine Zustimmung zuletzt noch einige Punkte offen gewesen, etwa die Einsichtnahme in bundes- und ländereigene Unternehmen. Im STANDARD-Gespräch bezeichnet der FPÖ-Abgeordnete Philipp Schrangl das Scheitern der Reform als "sehr schade". Allerdings seien die Freiheitlichen nicht für ein "Amtsgeheimnis light" zu haben gewesen. Auch die Länder haben in dieser Gelegenheit ein Wort mitzureden, sie forderten im Abtausch für ihre Zustimmung ein Entgegenkommen des Bundes in anderen Bereichen.

Forum Informationsfreiheit kritisiert Intransparenz

Die NGO Forum Informationsfreiheit zeigte sich in einer Aussendung ebenfalls "schwer enttäuscht". Selbst die Verhandlungen zum Transparenzgesetz seien "völlig intransparent" gelaufen. Etwa sei nicht nachvollziehbar gewesen, welche Rolle die Bundesländer hinter verschlossenen Türen gespielt hätten, heißt es.

Willkürliche Geheimhaltung

Bei der Reform des Amtsgeheimnisses geht es um die Frage, wie weit der Staat Bürgerinnen und Bürgern Einblick in seine Arbeit gewähren muss. Derzeit ist die Rechtslage unklar, denn das Amtsgeheimnis steht in der Verfassung (Artikel 20) direkt vor der Auskunftspflicht der Behörden: Ersteres verpflichtet Behörden zur Verschwiegenheit über geheimhaltungswürdige Informationen, zweiteres erlaubt Auskunft über alles, was keiner Verschwiegenheit unterliegt. Für Kritiker öffnet diese unklare Rechtslage Tür und Tor für willkürliche Geheimhaltung.

Weltweit gewähren mehr als 100 Staaten ihren Bürgern auf nationaler Ebene das Recht auf Zugang zu Behördeninformationen. In Österreich verweigern Behörden in der Regel entsprechende Auskünfte. Das Konzept der Informationsfreiheit ist etwa 250 Jahre alt. 1776 räumte Schweden als erstes Land seinen Bürgern das Recht ein, Informationen von staatlichen Stellen anzufragen und Dokumente von Behörden einzusehen, vor 50 Jahren reformierten die USA ihren "Freedom of Information Act" punkto Akteneinsicht, seit 10 Jahren gibt es in Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz. (au, sefe, APA, 27.6.2017)