Im Eiltempo reformieren: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Foto: AFP/Dunand

Der Moment ist günstig für Emmanuel Macron. Nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten hat er noch die politische Legitimation auf seiner Seite. Im Eiltempo lanciert er deshalb die schwierigste und umstrittenste Reform seiner fünfjährigen Legislaturperiode.

Eine Reform, die über sehr vieles bestimmen wird: zuerst über die wirtschaftliche Gesundung Frankreichs; dann aber auch über den langfristigen Erfolg Macrons und schließlich über die Perspektiven Europas, würde doch ein Scheitern des Präsidenten zweifellos die Rückkehr des Schreckgespenstes Le Pen bedeuten.

Kündigungen sollen erleichtert werden

Macrons Projekt rüttelt an sozialen Errungenschaften und geht viel weiter als die erste, bereits hart umkämpfte Arbeitsmarktreform Hollandes von 2016. Auf einen Satz reduziert, will Macron die Kündigungen erleichtern, um die Einstellungen anzukurbeln. Was auf den ersten Blick paradox klingt, erklärte der Präsident im Wahlkampf immer wieder: "Die französischen Unternehmen stellen heute kaum mehr neue Mitarbeiter ein, weil sie Angst haben, sich im Krisenfall nicht mehr oder nur sehr teuer von ihnen trennen zu können."

Ein Beispiel rechnete das Beraterbüro Deloitte vor: In Frankreich kostet die betriebsbedingte Kündigung eines 35-jährigen Computerfachmannes mit sieben Dienstjahren den Arbeitgeber 35.000 Euro, fast das Doppelte wie in Deutschland (18.000 Euro). Der Betroffene bekommt in Frankreich auch rund doppelt so viel (8.500 Euro) wie in Deutschland.

Arbeitgeber applaudieren

Macron will die maximale Kündigungshöhe deckeln. Dieser brisante Vorschlag würde die Zuständigkeit der – den Erwerbstätigen eher gewogenen – Arbeitsgerichte beschneiden. Die Arbeitgeber applaudieren und sprechen von Rechtssicherheit, noch bevor die Höhe der Abgangsentschädigung bekannt ist.

Der zweite Ansatz Macrons sind die Kündigungsgründe: Dazu gehört neu auch die Umsatz- und Gewinnschwäche von Tochterunternehmen internationaler Konzerne – was in Frankreich sehr oft vorkommt. Bisher bestand erst dann ein Kündigungsgrund, wenn der gesamte Konzern mit Verlust arbeitet – und das ist bedeutend seltener. Die Gewerkschaften befürchten, ein großer US-Konzern könnte seiner französischen Tochtergesellschaft rasch einmal eine Rosskur verschreiben. Die "Macronisten" entgegnen, der rigorose Kündigungsschutz halte viele Konzerne ab, in Frankreich zu investieren oder Arbeitsplätze zu schaffen.

Meist nur Kurzzeitverträge

Ob ausländische oder französische Firmen – die meisten heuern heute meist nur per Kurzzeitverträge an. Diese sogenannten "CDD" mit einer Durchschnittsdauer von fünf Wochen machen heute fast 90 Prozent der Neueinstellungen in Frankreich aus. Betroffen sind vor allem schlechter qualifizierte Berufseinsteiger.

Vieles erinnert an den "Jobs Act" von Italiens Expremier Matteo Renzi. So will Macron einen "mittleren" Arbeitsvertrag für einzelne Missionen oder Baustellen schaffen. Die Gewerkschaft CGT moniert, dass das "das Ende des gleichen Arbeitsvertrages für alle" wäre. Der aber ist heute schon pure Fiktion: In Frankreichs Wirtschaftsalltag werden Kurzzeitverträge CDD bereits jetzt mit Tricks aneinandergereiht.

Betriebe sollen mehr entscheiden können

Noch mehr Kritik provoziert der grundsätzliche Ansatz Macrons: Firmen sollen sich nach Absprache mit den Sozialpartnern – und notfalls per Betriebsreferendum – über Branchenabkommen hinwegsetzen können. Diese Liberalisierung würde Firmen zum Beispiel die Abkehr von der 35-Stunden-Woche ermöglichen.

Der Ökonom Thomas Porcher glaubt nicht an den Jobschaffungseffekt solcher Betriebsabkommen. "Das schafft nur eine Konkurrenz zwischen den Unternehmen des gleichen Sektors, was auf die Löhne drücken würde", meint der Berater des sozialistischen Expräsidentschaftskandidaten Benoît Hamon.

Kritik an niedrigeren Steuern

Im gleichen Atemzug kritisiert er Macrons Absicht, die Unternehmensteuer von 33,3 auf 25 Prozent zu reduzieren: "Die Senkung der Unternehmensabgaben würde uns nur mit Osteuropa oder Asien in Konkurrenz setzen. Frankreich muss eher auf Qualitätsprodukte setzen und in diesem Bereich massiv investieren."

Im Juli will sich Macron in der Nationalversammlung, wo seine Partei La République en Marche die absolute Mehrheit hat, eine Generalvollmacht holen, um die Reform im September per Dekret in Kraft zu setzen. Die Gewerkschaft CGT schlägt einen Streik- und Aktionstag in allen Unternehmen am 12. September vor. (Stefan Brändle aus Paris, 28.6.2017)