Manchester/Wien – Eine Studie im Fachblatt "Science" katapultierte die Grönlandhaie vergangenen August aus den arktischen Tiefen des Nordatlantiks in die terrestrischen Schlagzeilen: Forscher der Universität Kopenhagen legten die bisher genaueste Altersbestimmung von Exemplaren dieser Spezies vor und kamen zu dem Schluss, dass kein anderes Wirbeltier der Welt so alt wird wie sie. Mindestens 400 Jahre kann das Leben der Haie demnach betragen.
Doch wie verbringen die Riesen, die mit einer durchschnittlichen Körperlänge von vier bis fünf Metern zu den größten Haiarten zählen, ihr langes Leben, und welche physiologischen Eigenschaften ermöglichen solch ein hohes Alter? Sind sie gefährdet? Noch immer ist äußerst wenig über die Tiere bekannt, sagt Holly Shiels von der Universität Manchester zum STANDARD.
Offene Fragen
Die Biologin ist erst vor wenigen Wochen von einer Grönlandexpedition zurückgekehrt, bei der sie mit sieben weiteren Wissenschaftern internationaler Universitäten umfangreiche Daten zu der Art gesammelt hat. Insgesamt fingen und untersuchten die Forscher vor Ort 27 Grönlandhaie, statteten sie mit Sendern aus und entließen sie wieder in Freiheit.
"Ein wichtiges Ziel ist, zu verstehen, wo genau die Tiere leben", so Shiels. Das sei vor allem in Hinblick auf ihren Gefährdungsstatus von Interesse: Mittlerweile ist bekannt, dass die Geschlechtsreife mit etwa 150 Jahren einsetzt, doch wo die Haie ihre Jungen zur Welt bringen, ist unklar – Jungtiere wurden kaum je gesichtet. Shiels: "Die Frage ist: Gibt es so wenig Nachwuchs oder migrieren die Weibchen an einen anderen Ort?"
Träger Jäger
Das Bild der Ernährungsweise der Grönlandhaie verfeinert sich indes: Dachte man früher, dass sie vorwiegend am Meeresgrund nach Aas suchen, fanden Shiels und ihre Kollegen etliche Hinweise darauf, dass sie in unterschiedlichen Tiefen aktiv sind – auch als Jäger: Analysen der Mageninhalte brachten vor allem Überreste von Robben zum Vorschein.
Wie die Haie bei der Jagd vorgehen, ist aber unklar, denn sie bewegen sich üblicherweise extrem langsam. Shiels fand heraus, dass ihr Herz durchschnittlich knapp einmal alle zehn Sekunden schlägt. Um mehr über das Herz und vor allem die Herzgesundheit der Altersrekordhalter unter den Wirbeltieren zu erfahren, nahm die Forscherin unter anderem auch Gewebeproben. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe sollen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden. (David Rennert, 27.6.2017)