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Daniel Teklehaimanot im Bergtrikot der Tour de France – Millionen Eritreer waren im Sommer 2015 völlig aus dem Häuschen.

Foto: AP/Cipriani

Wien – Noch im vergangenen April, nach dem plötzlichen Rücktritt von Tourdirektor Gernot Schaar, stand die Austragung der 69. Österreich-Radrundfahrt auf der Kippe. Mitte Mai übernahm Franz Steinberger, bis dahin ausschließlich für Marketing verantwortlich, Schaars Agenden. Und am Sonntag wird die Rundfahrt tatsächlich mit einem Prolog auf den Grazer Schlossberg gestartet. Von einer Verlegenheitsrundfahrt über sieben Teilstücke – finalisiert wird nach rund 1120 Kilometern am 8. Juli in Wels – kann angesichts des Starterfeldes keine Rede sein. Die terminliche Konkurrenz zur Tour de France, die am Samstag in Düsseldorf anhebt, bringt es mit sich, dass für arbeitslose, weil nicht für die Große Schleife nominierte Profis Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht werden – sei es in Hinblick auf spätsommerliche Aufgaben wie die Vuelta in Spanien, sei es schlicht, um sie ihre Gehälter rechtfertigen zu lassen.

Das Schweizer Worldteam Katjuscha bringt etwa in Ilnur Zakarin den Fünften des verwichenen Giro d'Italia an den Start. Der 27-jährige Russe, im Vorjahr Etappensieger der Tour de France, ist zumal mit Unterstützung des Esten Rein Taaramäe, der die Tour de France 2011 als Elfter beendete, der große Favorit auf die Nachfolge des Tschechen Jan Hirt, der die Ö-Tour 2016 gewann.

Historisch

Zakarin und Taaramäe sind allerdings nicht die einzigen Fahrer im Feld, die in Frankreich groß herauskamen. Dimension Data, das südafrikanische Worldteam, das bei der Tour im von Bernhard Eisel unterstützten Sprinter Mark Cavendish den aktiven Rekordler an Tagessiegen (30) hat, schickt seinen zweiten Anzug nach Österreich – aber mit Daniel Teklehaimanot an der Spitze.

Der Mann aus Eritrea schrieb 2015 Geschichte, indem er als erster Afrikaner die Bergwertung eines Worldtour-Rennens gewann. Teklehaimanot sicherte sich beim Critérium du Dauphiné das diesbezügliche Trikot vor dem Briten Christopher Froome. Der vielfache Zeitfahr- und Straßenmeister seines Landes fuhr anschließend auch bei der Tour während der sechsten Etappe ins Bergtrikot und trug die gepunktete Schönheit für einige Tage.

Giro dell' Eritrea

Das Echo in der Heimat war gewaltig, zumal Eritrea eine Art Vorreiter in Sachen afrikanischer Radsport war. Im 19. Jahrhundert brachten die italienischen Kolonialherren Fahrräder ins Land. 1946 wurde der Primo Giro dell'Eritrea, in Anlehnung an den Giro d'Italia so genannt, ausgefahren. Im Jahr darauf wurde eine abgespeckte Variante namens Giro delle 3 Valli gegeben, seit 2001 existiert die Tour of Eritrea. "Es gibt viele Radfahrer in Eritrea, die Menschen lieben es. Es ist der Volkssport Nummer eins", sagt Teklehaimanot, der nach einem kleinen Durchhänger im Vorjahr heuer wieder gut in Fahrt gekommen ist. Zuletzt konnte er sich erneut die Bergwertung bei der Dauphiné sichern.

Bisher hat kaum ein weiterer schwarzer Radsportler aus Afrika im Windschatten Teklehaimanots den Vorstoß in die Spitze geschafft. Genau das hatte aber Tour-de-France-Titelverteidiger Froome, ein geborener Kenianer, unter Hinweis auf die Athleten aus Ostafrika ("die besten Ausdauersportler der Welt") prophezeit. Dimension Data hat als Nachfolgeteam von Qhubeka, einer Organisation, die in Südafrika Kindern Fahrräder für die Bewältigung ihres Alltags besorgt, selbst nur fünf schwarze Radprofis im 28-Mann-Kader. (lü, 27.6.2017)