Die Ehe für alle in Deutschland ist nicht mehr aufzuhalten. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagabend überraschend ihren Widerstand gegen eine rechtliche Gleichstellung der klassischen Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft für Homosexuelle aufgegeben hatte, hat der Bundestag schon am Mittwoch die erste Weiche gestellt.

Der Rechtsausschuss des Bundestags beschloss mit Stimmen von SPD, Grünen und Linken eine Vorlage des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2015. Darin wird eine Änderung des Paragrafen 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches gefordert: Statt "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen" soll es künftig heißen: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen."

Die Rechtsfolgen: Es können dann auch zwei Männer oder zwei Frauen heiraten und Kinder adoptieren. Derzeit müssen sie sich "verpartnern". Sie haben zwar weitgehend die gleichen Rechte wie Eheleute, wofür weniger die Politik als das Bundesverfassungsgericht gesorgt hat, indem es der Politik in einer Reihe von Urteilen mehr Gleichstellung auferlegt hat, etwa im Steuerrecht.

Aber die Adoption eines Kindes ist in der "Homo-Ehe" nicht erlaubt. Zudem empfinden viele gleichgeschlechtliche Paare den Begriff als Diskriminierung. Geht das Gesetz durch, werden künftig nur noch Ehen geschlossen, aber keine "Homo-Ehen" mehr.

Die Union stimmte im Rechtsausschuss nicht dafür, den Antrag am Freitag auf die Tagesordnung des Bundestags zu nehmen. Zwar hat Merkel die Entscheidung grundsätzlich zur "Gewissensfrage" erklärt und vom Fraktionszwang befreit, aber die Union ist stinksauer, dass sie nun von der SPD so getrieben wird und das Gesetz schon am Freitag, am letzten Plenartag vor der Sommerpause, beschlossen werden soll.

"Absolut unseriöse Art"

"Dass das Verfahren jetzt so läuft, ist schon eine Form von Vertrauensbruch durch die SPD, weil man sich eben nicht an Absprachen hält", sagt CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Kretschmer wirft der SPD eine "absolut unseriöse Art" vor. Die SPD missbrauche das Thema für Wahlkampfzwecke und reiße Gräben neu auf.

Den Vorwurf will die SPD nicht auf sich sitzen lassen. "Von einem Koalitionsbruch kann keine Rede sein", sagt der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Johannes Fechner. Im Gegenteil: Auf die SPD könne sich die Kanzlerin eben verlassen.

Nach Informationen der Passauer Neuen Presse herrscht in der Unionsfraktion aber auch Unmut über Merkel. Tenor: Sie habe ihren Widerstand völlig überraschend aufgegeben, man habe sich überhaupt nicht vorbereiten können. Abgesehen von inhaltlichen gibt es in der Unionsfraktion auch rechtliche Bedenken.

Denn in Artikel 6 des Grundgesetzes heißt es: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." In einem Urteil im Jahr 2002 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Ehe "die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist". Einige meinen daher, man könne nicht einfach ein Gesetz beschließen, sondern müsse das Grundgesetz ändern. Und dazu brauche man mehr Zeit.

Doch die SPD ist nicht mehr von ihrem Vorhaben abzuhalten. Am Freitagmorgen wird über den Antrag entschieden – und zwar in namentlicher Abstimmung, dann kann jeder nachvollziehen, wie die einzelnen Abgeordneten votiert haben. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.6.2017)