Auf dem Oberring, dem historischen Marktplatz der tschechischen Stadt Olmütz, überragt eine gigantische Pestsäule die Fassaden. An dem Monstrum wurde 38 Jahre lang gebaut.

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Das Zentrum von oben.

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Das Rathaus in der Altstadt von Olmütz.

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Wenn die tschechische Kunststudentin Milena Porc von ihrer Heimatstadt Olmütz erzählt, mischt sich Freude mit Wehmut. Freude, weil sie nun endlich im Rahmen von Führungen beweisen darf, welche Schätze "ihre" Stadt birgt. Wehmut ist herauszuhören, weil kaum jemand unter ihren österreichischen Kommilitonen je von Olmütz oder Olomouc gehört hat. Dabei war die Bevölkerung bis zum Ersten Weltkrieg überwiegend deutschsprachig. Olmütz ist das historische Zentrum Mährens und war dennoch einst böhmische Königsstadt.

Der Stadtkern ist ein barockes Juwel, das auf eine wechselvolle tausendjährige Geschichte zurückblickt. Hier hat schon der elfjährige Mozart komponiert, Gustav Mahler wirkte als Kapellmeister, und Feldmarschall Graf Radetzky blies seinen Kadetten den Marsch. Doch unter dem Regiment der Kommunisten verfiel die Stadt zunehmend.

Kuriose Zeiten

Heute strahlt die mährische Schönheit wieder im Glanz ihrer besten Tage. Die Universitätsstadt mit quirligem Studentenleben wurde in den letzten Jahren liebevoll restauriert. Nur noch wenige architektonische Kuriositäten im Zentrum und ein paar Plattenbausiedlungen an der Peripherie erinnern an die realsozialistische Tristesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine wesentlich ältere Kuriosität ist die astronomische Uhr am Olmützer Rathaus aus dem Jahre 1422, die der sächsische Uhrmacher Anton Pohl baute. Sie stand in ihrer Pracht dem ebenfalls von Pohl erschaffenen Pendant in Prag über fünf Jahrhunderte in nichts nach.

Doch 1955 verpassten die Parteigenossen dem sakralen Kunstwerk am Stalinplatz eine proletarische Politur. Seitdem schlägt fröhlichen Handwerkern und Bauern die Stunde, die dann munter im Kreis defilieren. An der Wand unter ihnen schauen ein Schlosser und ein Chemiker arbeitsam und optimistisch den Zielen der sozialistischen Planwirtschaft entgegen.

Einzigartige Pestsäule

Der Oberring – so heißt der Platz heute wieder – ist mit seinen Patrizierhäusern einfach nur eine Augenweide. An dessen Ende zieht eine reich verzierte Dreifaltigkeitssäule alle Aufmerksamkeit auf sich: 18 Heiligenfiguren zieren die unteren drei Etagen, die vergoldete Statuengruppe der Dreifaltigkeit auf der Spitze verleiht diesem Meisterwerk einen besonderen Glanz. Mit 35 Metern Höhe ist es das größte Bauwerk dieser Art. Die Olmützer errichteten sie aus Dankbarkeit über das Ende der drei Jahre lang wütenden Pest. Nach 38-jähriger Bauzeit wurde das Schmuckstück 1754 im Beisein der habsburgischen Maria Theresia eingeweiht. Aufwendig restauriert, erhielt die Pestsäule zum Millennium den Status des Unesco-Weltkulturerbes.

Olmütz ist auch eine Stadt der Festivals, die das ganze Jahr über stattfinden. Zu den Highlights zählen etwa die Barockfestspiele im Juli – nicht einmal unbedingt wegen der gebotenen Musik, sondern wegen der prachtvollen Kostüme. Optisch ebenso aufregend sind die eleganten Kleider beim internationalen Flamenco-Festival im gleichen Monat. Dann geht es ziemlich heiß her im altehrwürdigen Erzbistum.

Käsetaler mit kräftigem Geruch

Doch auch ohne Events ist die Stadt voller Leben, insbesondere unter der Woche, wenn die Studenten der beiden Universitäten die vielen gemütlichen Cafés und Restaurants am Tag und die Clubs und Bars in der Nacht bevölkern. Wenn ihre Kunden nach einer langen Führung noch Kräfte dafür haben, entführt sie Milena ins Nachtleben der Stadt. Im "Jazz Tibet Club" etwa geben sich Musiker aus aller Welt, von Prag bis New Orleans, die Klinke in die Hand, das künstlerische Niveau ist hoch. Und das bei sehr humanen Preise für den Eintritt und ebenso im angeschlossenen Restaurant.

Ganz egal, wie das Besichtigungsprogramm ausfällt – eine Kostprobe des Olmützer Quargels sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Es handelt sich dabei um den berühmten goldfarbenen Käsetaler mit sehr kräftigem Geruch. Er wird aus Sauermilch gewonnen, und seit dem 15. Jahrhundert in der Stadt hergestellt. Er ist dem österreichischen Pendant nicht unähnlich, aber den markanten Geschmack verdankt die Milch in diesem Käse angeblich dem Futter aus den Auwäldern und von den Kalksteinböden in der Region Hanna.

Sakrale Großstadt

Olmütz zählt zwar nur 100.000 Einwohner, verfügt aber über eine Dichte an sakralen Bauwerken, mit der man eine Großstadt an Gläubigen versorgen könnte. Eines davon ist das ehemalige Kapiteldekanat, in dem heute das Erzdiözesanmuseum untergebracht ist. Ein elfjähriger Bub hat dem Gebäude auch einen Platz in der Musikgeschichte verpasst. Wolfgang Amadeus Mozart komponierte hier seine sechste Sinfonie, als er sich von den Pocken kurierte, die er sich in Prag eingefangen hatte.

"Und dennoch gilt meine Stadt immer nur als die schöne Unbekannte, die ewig im Schatten von Prag stehen wird", sagt Milena über Olmütz. "Aber vielleicht ist das ja ganz gut so." (Marc Vorsatz, 5.7.2017)