Wien – Das Corpus Delicti, mit dem die SPÖ am Mittwoch im Parlament den ersten "Seitensprung" aus der ohnehin in Scheidung befindlichen Koalition begangen hat – die mit Grünen, FPÖ und Neos beschlossene Erhöhung des Unibudgets -, sorgt für verfassungsjuristische Diskussionen.

Gegen die darin auch enthaltene Passage, dass bis 31. Jänner 2018 eine Regierungsvorlage für eine Studienplatzfinanzierung vorgelegt werden muss, hegt Verfassungsjurist Klaus Poier von der Uni Graz nämlich Bedenken. Besagte Bestimmung mache aus einem Recht zur Gesetzesvorlage eine Pflicht, sagte er am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal": "Im täglichen Leben kann ich in ein Geschäft gehen und eine Wurstsemmel kaufen. Da schreibt man aber hinein: Du musst hineingehen und eine kaufen." Damit werde die nächste Regierung "geknebelt".

Verfassungsjurist Heinz Mayer, der ehemalige Dekan der Juridischen Fakultät der Uni Wien, wiederum sieht darin keinen verfassungsjuristischen Sprengstoff. Die ganze Bestimmung zur Vorlage einer Studienplatzfinanzierung sei "absurd und sinnlos, weil man sie nicht durchsetzen kann", sagt Mayer im STANDARD-Gespräch: "Das ist, wie wenn man in einem Gesetz 'alles Gute zum Geburtstag' wünscht. Schöne Worte, aber juristisch irrelevant und folgenlos. Welche Folgen sollte es geben, wenn sich eine Regierung dazu nicht einigt und nichts vorlegt?"

Eine oder diese Regierung?

Genau genommen könnte sich ja auch die amtierende Regierung noch von dem nun beschlossenen Gesetz angesprochen fühlen, denn es richtet sich an "die Bundesregierung", die dem Nationalrat bis Ende Jänner eine Gesetzesvorlage zur "Implementierung der kapazitätsorientierten, studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung" zuzuleiten habe.

Nach dem von der ÖVP als feindlicher Akt empfundenen Seitenwechsel der SPÖ scheint das aber eher unrealistisch. "Die Frage hat sich bis jetzt nicht gestellt", sagte SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl denn auch auf STANDARD-Anfrage. Die SPÖ habe mit der ÖVP "bis zum letzten Moment verhandelt" und ihr einen "Zweischritt" angeboten, also zuerst gemeinsam die Budgetzusage an die Unis über 1,35 Milliarden zusätzlich für 2019 bis 2012 zu beschließen und dann die Studienplatzfinanzierung: "Aber die ÖVP hat das abgebrochen."

Das aber könnte der SPÖ gar nicht so ungelegen gekommen sein, denn so erspart sie sich im Wahlkampf das parteiinterne Reizthema Studienplatzfinanzierung und die damit verbundenen Zugangsregeln – auch wenn sich diese im "Plan A" von Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern findet. (Lisa Nimmervoll, 30.6.2017)