Patrick F. sei klar als Mitarbeiter der GWS Krankenbeförderung GmbH zu erkennen, sagen die Arbeitsrechtsexperten Martin Risak und Jens Winter.

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Eine Minute und fünfundvierzig Sekunden haben gereicht, damit Patrick F. seinen Job als Krankentransportfahrer verlor. In dem auf Facebook hochgeladenen Video beschwert er sich darüber, dass ein der versuchten Vergewaltigung beschuldigter Flüchtling auf freiem Fuß sei. Die Reaktion seines Arbeitgebers – der GWS Krankenbeförderungs GmbH: die Entlassung. Was sagt das Arbeitsrecht?

Entlassung oder Kündigung

"Anstelle des Unternehmens hätte ich mich auch vom Mitarbeiter getrennt", sagt Jens Winter, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Hiermit ist bereits ein wichtiger Punkt angesprochen: Die Art und Weise der Trennung. Zunächst war in Medienberichten von einer Kündigung zu lesen, später von einer Entlassung. Die GWS bestätigt auf Anfrage des Standards Letzteres – ein wichtiges Detail in der arbeitsrechtlichen Beurteilung des Falles. Bei einer Kündigung hätte das Unternehmen nämlich keinen speziellen Grund angeben müssen. Anders bei der Entlassung, also der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, für die es in der Regel schwerwiegende Gründe geben muss. Ist die Entlassung erst einmal ausgesprochen, hat sie sofort Gültigkeit. Grundsätzlich beendet auch eine unberechtigte Entlassung das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung, Arbeitnehmer erhalten dann jedoch alle Ansprüche, die sie bei einer termin- und fristgerechten Arbeitgeberkündigung erhalten hätten.

Als Krankentransportfahrer sei F. wahrscheinlich Arbeiter, sagt Martin Risak, a. o. Universitätsprofessor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien. Im Vergleich zu Angestellten können Arbeiter nicht so leicht entlassen werden. Für Angestellte ist der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit zum Beispiel bereits verwirklicht, wenn sie sich einer Handlung schuldig machen, die sie des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig macht. Für Arbeiter setzt dieser Entlassungsgrund voraus, dass man sich einer strafbaren Handlung schuldig macht. Auch wer beharrlich seine Pflichten verletzt, kann entlassen werden – so könne man etwa im Fall F. argumentieren, sagt Risak. Allerdings: Beharrlichkeit bedeute normalerweise zunächst eine Abmahnung, die Entlassung folge erst, wenn der betroffene Arbeiter an dem Verhalten festhalte. "Das kann bei einem viralen Video unter Umständen aber anders sein", sagt der Arbeitsrechtsexperte. Ob die Entlassung berechtigt war, kann er nicht mit Sicherheit sagen.

Logo und Viralität spielen eine Rolle

Unabhängig von der Form der Trennung finden die beiden Arbeitsrechtsexperten die Entscheidung aber nachvollziehbar – und zwar aus mehrere Gründen. Zunächst sei da natürlich das sehr gut sichtbare Logo auf dem Shirt des Betroffenen: "So ist er sofort als Mitarbeiter erkennbar – seine politischen Ansichten können somit auch in Verbindung zum Unternehmen gebracht werden", sagt Winter. Auch für Risak ist es wesentlich, ob jemand als Privatperson oder Mitarbeiter auftritt.

Zweitens hat der Wiener auch dazu aufgerufen, das Video zu teilen. Mittlerweile steht es bei knapp unter 150.000 Aufrufen. "Die Größe der Öffentlichkeit, an die ich mich mit solchen Botschaften wende, ist natürlich nicht unwesentlich", sagt Winter. Und Risak fügt hinzu, dass solche Videos ja auch de facto nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wurden sie einmal von vielen Menschen gesehen.

Statement des Unternehmens

Drittens: Auch die Tätigkeit des Unternehmens spielt eine Rolle. Da es sich hier um ein Unternehmen aus dem Sozialbereich handelt, seien solche Äußerungen besonders heikel, sagt Winter. Das unterstreicht auch das Unternehmen in einer Stellungnahme auf Facebook: "Wir die Firma GWS, befördern seit mittlerweile fast 30 Jahren kranke und hilfsbedürftige Menschen und Patienten aus sämtlichen Altersschichten, unterschiedlichster Nationalität, Religion & Herkunft sowie gesellschaftlichen Status und kümmern uns um ihr Wohlbefinden und deren Sicherheit." Jenen, die die Entscheidung des Unternehmens kritisieren, wird zu Bedenken gegeben, dass auch sie sich über einen Krankentransport freuen würden, bei dem man nicht diskriminiert werde, heißt es außerdem.

Interesse an politischer Neutralität

Patrick F. sagt hingegen der 'Heute': "Ich dachte nicht daran, dass das ein Problem sein kann, wenn ich meine Meinung sage." Hier betonen Risak und Winter, dass differenziert werden müsse. Natürlich: Es gebe grundsätzlich die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit – der Dienstgeber könne beispielsweise nicht vorschreiben, was man in der Freizeit zu tun oder sagen habe. "Aber ich darf den Kernbereich der Interessen meines Dienstgebers nicht verletzen", sagt Winter. Das Ansehen des Arbeitgebers müsse auch in der Freizeit gewahrt werden, das hätten schon mehrere Gerichte bestätigt. Risak drückt es so aus: "Unternehmen haben ein legitimes Interesse an politischer Neutralität. Ganz unabhängig davon, ob der Inhalt des Videos rassistisch ist oder nicht – natürlich sind Äußerungen wie diese nicht im Interesse des Dienstgebers."

Winter fallen hierzu auch andere Beispiele ein: In Deutschland entschied beispielsweise ein Arbeitsgericht, dass eine Beleidigung des Vorgesetzten auf der eigenen Facebook-Pinnwand eine fristlose Entlassung rechtfertigen kann, wenn unter den Facebook-Freunden auch (ehemalige) Arbeitskollegen sind. "Das Gericht hat entschieden, dass dieser Eintrag dann wie das Lästern über den Chef auf dem Gang ist, wo es andere Kollegen mitbekommen. Die Sache wäre anders, wenn ich mich in den eigenen vier Wänden über den Vorgesetzten aufrege."

Wenig Sensibilität im Umgang mit Facebook

Winter spricht damit auch den generellen Umgang von Arbeitnehmern mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken an. Es fehle des Öfteren noch an Sensibilität – der aktuelle Fall sei das beste Beispiel hierfür. Auch Risak vermutet, dass Facebook manchmal mit dem Stammtisch verwechselt wird. Hätte F. seine Rede dort gehalten, wäre er heute wahrscheinlich noch bei der Firma beschäftigt, sagt er.

Wie auch schon im Sommer 2015, als mehrere Mitarbeiter wegen sogenannter Hasspostings gegen Flüchtlinge gekündigt und entlassen wurden, bringen Kritiker der Reaktion des Unternehmens die freie Meinungsäußerung ins Spiel. F. sei ja nicht beleidigend geworden. Winter wiederholt seine Einschätzung diesbezüglich: "Dem Unternehmen sei ein Schaden entstanden, und darum geht es bei der Frage der Trennung." Wäre F. in seinen Äußerungen radikaler gewesen und hätte beispielsweise den Tatbestand der Verhetzung erfüllt, hätte er eben zusätzlich noch strafrechtliche Probleme gehabt.

F. möchte nun jedenfalls gegen die Entscheidung vorgehen. "Ich klage auf Entschädigung und Rücknahme der fristlosen Entlassung", sagt er gegenüber der 'Heute'. Unterstützung bekomme er von der FPÖ Wien.

Kurze Guidelines

Auch in Zukunft würden sich Unternehmen und in der Folge auch Gerichte mit den Äußerungen von Arbeitnehmern im Internet auseinandersetzen müssen, sagen Risak und Winter. Als Unternehmen eine Art Handbuch zu erstellen sieht Winter als wenig zielführend. "Das würde wahrscheinlich kaum jemand lesen." Er würde Unternehmen allerdings empfehlen, Mitarbeiter ganz kurz und knapp über mögliche Konsequenzen solcher Handlungen zu informieren – etwa mit Beispielen wie jenem von Patrick F. (lhag, 4.7.2017)