Thomas Schwingenschlögl ist Facharzt für innere Medizin und Rheumatologie in Wien.

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Ein Hinweis auf rheumatische Erkrankungen: "Ein steifes Gefühl in den Gelenken und die Kraft, um ein Marmeladenglas zu öffnen, fehlt", sagt Rheumatologe Schwingenschlögl.

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STANDARD: Wie erkennt man eine rheumatische Erkrankung?

Schwingenschlögl: Durch Schmerzen, ein steifes Gefühl in den Gelenken, die Bewegung ist eingeschränkt, und die Kraft, um ein Marmeladenglas zu öffnen, fehlt.

STANDARD: Was dann?

Schwingenschlögl: Durch ein ausführliches Gespräch und eine Untersuchung versuche ich die Beschwerden einer der drei Rheumagruppen zuzuordnen: Dem entzündlichen Rheuma wie der rheumatoiden Arthritis (RA), dem Abnutzungsrheuma wie der Arthrose oder dem Weichteilrheuma, bei dem Sehnen oder Muskeln betroffen sind.

STANDARD: Wie unterscheidet man?

Schwingenschlögl: Zuckt eine Patientin zusammen, wenn ich ihr zur Begrüßung die Hand drücke und hat Schmerzen vor allem in Hand- und Fingergelenken, denke ich sofort an eine RA. Vor allem wenn Knie, Hüfte und Sprunggelenk nicht wehtun, ist es ein Hinweis.

STANDARD: Wofür spräche das?

Schwingenschlögl: Für Arthrose. Die kann man zwar auch an der Hand haben, dann sind aber meist Daumengelenk und äußere Fingergelenke betroffen. Habe ich den Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis, frage ich, ob die Patientin morgens beim Kauen der Semmel Probleme hat.

STANDARD: Schmerzen beim Kauen?

Schwingenschlögl: Ja, die Entzündung kann auch das Kiefergelenk betreffen, und vor allem morgens tut es dann weh, den Mund zu öffnen. Bei Rheuma schmerzen die Gelenke in Ruhe und bei Bewegungen, bei Arthrose dagegen nur, wenn man sie belastet – zum Beispiel bei Arthrose im Knie tut Gehen und Skifahren weh. Bei einer Arthrose im Fingergelenk hat man Schmerzen, wenn Druck auf der Hand ist. Nur im Endstadium macht eine Arthrose auch in Ruhe Schmerzen.

STANDARD: Manche Leute haben Schmerzen im Ellenbogengelenk. Ist das dann auch Arthrose?

Schwingenschlögl: Vermutlich eher Weichteilrheuma. Das kann lokalisiert auftreten wie beim Tennisellenbogen, aber auch großflächig, dann ist es Fibromyalgie. Die Betroffenen zucken sofort zusammen, wenn man sie berührt. Aber sie können ziemlich klar sagen, dass nicht die Gelenke schmerzen.

STANDARD: Wie sichern Sie Ihre Diagnose?

Schwingenschlögl: Ich bestimme die Entzündungswerte im Blut, und wenn ich eine rheumatoide Arthritis vermute, veranlasse ich, dass auch Rheumafaktoren und CCP-Antikörper bestimmt werden.

STANDARD: Aber diese Werte sind ja nicht ganz eindeutig. Es gibt Patienten ohne erhöhte Werte.

Schwingenschlögl: Richtig, aber die Diagnose ist stets eine Zusammenschau aus Befragung, Untersuchung und Befunden.

STANDARD: Kann man Rheuma mit Bildgebung sichtbar machen?

Schwingenschlögl: Klar, zum Beispiel mit dem Ultraschall. Aber leider erstatten die Kassen die Kosten nicht. Ultraschall oder Kernspintomografie sind nur Optionen in unklaren Fällen.

STANDARD: Und wenn Sie auf den Bildern dann nichts sehen?

Schwingenschlögl: Hat der Patient starke Schmerzen und hohe Entzündungswerte und womöglich Rheuma in der Familie, gehe ich von einem Frühstadium aus und beginne eine Therapie. Ansonsten verschreibe ich Entzündungshemmer und Physiotherapie. Es ist wichtig, auch andere Ursachen abzuklären: etwa Hormonstörungen, eine Spät-Borreliose oder eine Überladung des Körpers mit Eisen – all das kann Gelenkbeschwerden verursachen. (Felicitas Witte, 4.7.2017)