Es gibt nichts Schöneres, als seine Leidenschaft mit seinen Kindern zu teilen.

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Der erste Trail, der erste Flow. Waldwege eigenen sich viel besser für Kinder als Schotterpisten.

Foto: Steffen Arora

Innsbruck – Mävchen (12), Luigi (10) und El Niño (8) haben einen absoluten Lieblingsplatz, wenn es ums Mountainbiken geht: den Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis. Seit nunmehr vier Jahren besuchen wir im Sommer regelmäßig das Hochplateau im Oberinntal. Ebenso lange gibt es dort den Bikepark, der sich dezidiert an Kinder und Einsteiger richtet. Wobei man auch als leicht Fortgeschrittener dort auf seine Kosten kommt. Es gibt kaum etwas Besseres, als einen sonnigen Tag mit dem zu verbringen, was man am meisten liebt – mit seinen Kindern und voll gefederten Fahrrädern. Doch es dauerte seine Zeit, bis ich meine drei so weit hatte.

Aller Anfang ist kinderleicht

Der schnellste und einfachste Weg, ein Kind zum selbstständigen Fahrradfahren zu ermutigen, ist ein Laufrad. Denn Stützräder sind Humbug, der die Sache nur unnötig verkompliziert. Laufräder hingegen sind günstig und machen unglaublich viel Spaß. Zudem sind sie nahezu unkaputtbar sowie servicearm. Ich habe eines, den Klassiker von Puki, für alle drei genutzt. Und es danach noch günstig weiterverkauft. Ab welchem Alter Kinder damit starten können, ist meiner Meinung nach individuell zu sehen. Daher verzichte ich im Folgenden auf Altersangaben. Der Umstieg vom Laufrad auf das erste richtige Fahrrad, rund ein Jahr später, dauerte bei allen dreien keine zehn Minuten: einfach nur draufsetzen und losfahren. Anfangs muss man vielleicht noch kurz hinterherlaufen, um im Notfall einzugreifen. Aber nach wenigen Runden haben sie den Dreh raus. Das Grundprinzip des Radfahrens, dass nämlich die Vorwärtsbewegung die Balance garantiert, haben sie längst am Laufrad erlernt.

Der ganz junge Jackson Goldstone. Heute ist als Teenager auf dem Weg zu einem der besten Mountainbiker überhaupt, doch der Kanadier fing ebenfalls mit einem Laufrad an.
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Der Grundstein war gelegt, nun musste ich die Bande nur noch davon überzeugen, dass Radfahren abseits der Straßen um Längen lustiger ist. Um ihnen das glaubhaft zu vermitteln, lebte ich es ganz einfach vor. Druck auszuüben oder es mit Überredungskunst zu versuchen ist wenig erfolgsversprechend. Radfahren war immer fester Bestandteil des Alltags. In den Kindergarten ging es täglich mit dem Bakfiets, einem verrosteten alten Lastenrad aus Amsterdam, in die Arbeit sowie die meisten Wege in der Stadt fuhr ich ebenfalls am Bike. Bis irgendwann die ersten Fragen kamen, was ich da eigentlich immer mache, wenn ich an Wochenenden mit Freunden und den Downhillbikes unterwegs bin.

Erste Versuche offroad

Diese ersten Fragen wurden mit Angeboten erwidert: "Sollen wir auch mal im Wald radeln gehen?" Wir sollten! Vor allem Mävchen, die Älteste, musste dafür leider etwas Lehrgeld zahlen. Beim ersten Mountainbikeausflug mit ihr lernte ich einige sehr wichtige Grundregeln: Protektoren sind ein absolutes Muss, schottrige Forstwege sind viel gefährlicher als Waldwege und Scheibenbremsen sind fürs Mountainbiken mit Kindern obligatorisch. Wir fuhren eine kleine Runde. Erst flach, dann leicht bergab über eine klassische Forstautobahn. Obwohl auf solidem Untergrund längst sicher unterwegs, machte ihr der Schotter sichtlich zu schaffen. Hinzu kam, dass ihre Hände wegen des dauernden Bremsens schnell ermüdeten. Es kam, wie es kommen musste. Sie stürzte und zog sich Abschürfungen am Unterarm und Knie zu. Für diesen Sommer war es das mit Mountainbiken für Mävchen.

Valentina Höll aus Saalbach ist Österreichs größte Nachwuchshoffnung am Downhillbike. In diesem Video aus dem Jahr 2014 erzählt sie, wie sie zum Mountainbiken kam.
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Im Jahr darauf war ihr Interesse wieder geweckt, sie verlangte nach einer Wiederholung. Um die Erfahrung klüger, nahmen wir diesmal die Skateboard-Schützer mit. Als Teststrecke habe ich einen sehr flachen kleinen Waldweg in Mühlau gewählt – lehmiger, fester Boden, gespickt mit ein paar winzigen Wurzeln für den Spaßfaktor. Der Plan ging diesmal auf. Mävchen war begeistert, ich hatte die Erstgeborene erfolgreich infiziert. Aber auch diesmal wurde schnell klar, dass gerade das Bremsen ein Problem ist. Für kleine Kinderhände sind herkömmliche V-Brakes viel zu anstrengend. Sogar mechanische Scheibenbremsen erwiesen sich in unserem Fall als zu schwergängig. Hydraulik lautete daher die Lösung.

Pumptrack als ideale Übung

Der nächste Schritt war der in den Bikepark. Jener in Serfaus-Fiss-Ladis ist deshalb für Familien sehr geeignet, weil im Bereich der Talstation zwei große Übungsparcours, ein Pumptrack und zwei Dirtjumps stehen. Direkt dahinter befindet sich die Terrasse der Schirmbar, ein Elternparadies. Gerade der Pumptrack erwies sich zu Beginn als ideale Fahrtechnikschule. Während Mävchen bereits erste Runden auf den blau markierten Trails mit mir drehte, spulten die beiden Jungs Runde um Runde im Pumptrack ab, unterbrochen von langen Pausen, in denen der kleine Wasserlauf neben dem Gelände interessanter war. Es gilt, die Kinder ihren eigenen Rhythmus finden zu lassen. An manchen Tagen saßen sie nur auf dem Bike, an manchen kaum fünf Minuten. Aber es hat insgesamt immer Spaß gemacht. Sie verbanden Biken mit einem lustigen Tag im Freien.

So biken Neunjährige in Whistler. Wenn es hierzulande mehr Angebote für Kinder gäbe, wäre das – ganz so wie beim Skifahren – auch möglich.
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Auf den Trails im Bikepark gelten ähnliche Regeln wie auf Skipisten. Es gibt ein Farbsystem, das den Schwierigkeitsgrad ausweist. Schwarz, wie beim Skifahren, heißt schwieriger Trail, rot ist mittelschwer und blau für Anfänger geeignet. In Whistler, Kanada, gibt es darüber hinaus noch grüne Trails für absolute Neueinsteiger. Eine Erweiterung, die man sich auch hierzulande überlegen sollte, um den Einstieg in den Sport niederschwelliger zu machen. Herausforderungen im Bikepark sind die Anliegerkurven – vor allem wenn diese ein größeres Gefälle aufweisen – und Northshores, also befahrbare Holzkonstruktionen. In Serfaus-Fiss-Ladis gibt es beides auf den blauen Trails. Gerade auf die Northshores hätte man verzichten sollen, wie ich finde. Sie stellten für alle drei zu Beginn das größte Problem dar.

Sie werden ihren Kindern wehtun

Wer seinen Kindern den Mountainbikesport näherbringen will, muss damit leben, dass sie sich dabei verletzen werden. Stürze gehören dazu, und es verging bisher wohl kein einziger Biketag ohne einen solchen. Wichtig ist Empathie, und wenn nötig, bricht man den Ausflug einfach ab und fährt nach Hause. Die "Wer vom Pferd fällt, muss gleich wieder aufsteigen"-Mentalität verdirbt Kindern langfristig den Spaß. Um das Verletzungsrisiko zu minimieren, sind Protektoren im Bikepark natürlich Pflicht. Vollvisierhelm, Protektorenjacke, Knie- und Schienbeinschoner, Handschuhe sowie optional die Goggles und Neckbrace. Derart verpackt verlaufen die meisten Havarien recht harmlos. Auch wenn man als Elternteil bisweilen dem Herzinfarkt nahe ist wie damals, als Luigi die Anliegerkurve mit einem Kicker verwechselte.

Mittlerweile fahren alle drei die blauen Trails problemlos, Mävchen versuchte sich bereits mehrmals an der roten Strada del Sole und nimmt erste kleine Holzkicker mit Bravour. Im Bikepark Innsbruck fuhr sie bereits den Familientrail, der den Namen aber nicht wirklich verdient, da er viel zu schwierig für Kinder ist, wie ich finde. Ein großes Problem in Österreich ist bisher, dass es kaum taugliche Trail-Angebote für Kinder gibt. Es bedarf einiger Praxis, um sich auf Strecken wie in Mutters zu wagen. Die Flow-Line im Trailcenter Weidlingbach im Wienerwald ist neben dem Oberinntal eine Option, auf der man mit Kindern gefahrlos den Einstieg üben kann.

Der Vollständigkeit halber noch ein Video des kleinen Jungens mit dem Laufrad vom Beginn. So fährt Jackson Goldstone (13) heute Fahrrad.
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Während nun alle drei begeisterte Downhiller sind, wie sie selbst sagen, konnte ich ihnen die Liebe zum Uphill bisher noch nicht wirklich vermitteln. Am schlechten Vorbild kann es nicht liegen, ich fahre viel und gern bergauf. Zumindest Mävchen hat heuer im Frühjahr Interesse an einer kleinen Hüttenrunde angemeldet, inklusive Rauftreten. Ich habe den Weg zum Usprung der Isar im Karwendel ausgewählt und hoffe, dieses Abenteuer nun bald mit ihr in Angriff nehmen zu können. Gut 200 Höhenmeter mit sehr sanften Anstiegen sollten zu schaffen sein.

Abschließend ist zu sagen, dass Mountainbiken mit Kindern sehr viel Spaß macht, aber auch relativ aufwendig und teuer ist. Am besten ist es daher, sich mit gebrauchten Rädern und Ausrüstung aus zweiter Hand auszustatten. Während man Protektoren meist recht günstig in den Bikeparks ausleihen kann, kosten Leihräder ungleich mehr. Daher empfiehlt es sich, alsbald eigene Räder anzuschaffen. Unsere Flotte umfasst derzeit für den Bikepark-Gebrauch ein 24-Zoll-Kona-Stinky, umgerüstet auf Luftfederung, sowie ein 20-Zoll-Kona-Shred, bei dem die mechanischen Scheibenbremsen aus oben genannten Gründen auf hydraulische umgerüstet wurden. Das dritte Rad leihen wir vor Ort, da Mävchen bald auf 26 Zoll umsteigen wird. Für den Alltagsgebrauch habe ich gut erhaltene 1990er-Stahlrahmenbikes von Trek und Scott – keines über 60 Euro teuer – besorgt. Mit halbwegs guten Komponenten und leichten Mänteln reichen diese für Radtouren und erste Uphill-Erfahrungen völlig aus. (4.7.2017, Steffen Arora)