Die Folgen des von der deutschen Regierung beschlossenen Auftrittsverbots für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan überschatten zum Teil die Vorbereitungen für das G20-Gipfeltreffen in Hamburg. Angesichts des totalitären Umbaus der Türkei durch den Autokraten begrüßen die deutschen Medien einhellig "diesen notwendigen und richtigen Schritt". Sie weisen auf die Verhaftung von fast 50.000 Beamten, Journalisten, Unternehmern und vermeintlichen Oppositionellen hin.

Der Nato-Staat ohne Rede-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit und nach der Abschaffung der Gewaltenteilung wird in der demokratischen Welt immer mehr isoliert; Der österreichische Außenminister hat mehrmals den endgültigen Abbruch der Verhandlungen mit der EU gefordert. Es gibt nur einen EU-Regierungschef, der gerade in diesen Tagen demonstrativ die politische Verbundenheit mit der Türkei und sogar seine persönliche Freundschaft mit Erdoğan bekundet: der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Die Fotos und Fernsehaufnahmen zeigten am Freitag die innige Zuneigung der beiden starken Männer, wie sie sich im Präsidentenpalast umarmten und dann Arm in Arm zum Tisch gingen. Orbán war mit der halben Regierung und 72 Geschäftsleuten zum dritten Gipfeltreffen der beiden Regierungen nach Ankara gereist.

Orbán hat wiederholt seine Bewunderung für Erdoğan ausgedrückt. Bereits im Sommer 2014 hatte er in seiner berüchtigten Rede über den "illiberalen Staat" die Türkei mit China, Russland und Singapur als eine Erfolgsgeschichte bezeichnet. Mitten in der Flüchtlingskrise im Februar 2016 war er auch voll des Lobes: "Erdoğan gehört seit langem zu meinen persönlichen Freunden. Unser Verhältnis zur Türkei ist eng und verdienstvoll." Kein Wunder, dass die Orbán-Regierung schon einen Tag nach dem Putschversuch als erste ihre Unterstützung für das Erdoğan-Regime bekundet habe, wie es Ministerpräsident Yıldırım am Freitag wieder dankend bestätigte. Auch hat sich Orbán von "türkenfeindlichen Äußerungen in bedeutenden EU-Ländern" klar distanziert; Ungarn werde immer auf der Seite der Türkei stehen. Er begrüßte wieder die umstrittenen Verfassungsänderungen, weil diese "die Verteidigungsfähigkeit, auch zur Hilfe für Europa und Ungarn, stärken. Es ist unser Interesse, dass die Türkei ein stabiles und starkes Land unter eindeutiger und klarer Führung sein soll."

Die politische und persönliche Freundschaft auf der höchsten Ebene wird laut nicht dementierten zahlreichen Berichten unabhängiger Budapester Zeitungen und Internetportale durch weitverzweigte lukrative Geschäftskontakte zwischen den korrupten Oligarchien in beiden Ländern zementiert. So sollen der Schwiegersohn des Premiers, István Tiborcz, und andere Freunde großangelegte Immobilientransaktionen mit dem bekannten türkischen Milliardär Adnan Polat und seinen Firmen abwickeln. Dass Polat langjähriger Präsident des türkischen Fußballklubs Galatasaray war, verbindet ihn mit Fußballfan Orbán, der ihm im Februar dieses Jahres das aufwendige Fußballstadion (3800 Plätze) in seinem Heimatdorf Felcsút (1812 Einwohner) persönlich gezeigt hat. (Paul Lendvai, 3.7.2017)