Daniel Flock und Markus Schreiner züchten in Tirol Garnelen

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Langsam zieht Daniel Flock den Plastikkorb aus dem bräunlichen Wasserbecken. Kaum an der Oberfläche, beginnt das große Springen. Zahllose, wenige Zentimeter kleine White-Tiger-Garnelen hüpfen hektisch umher. "Die schaffen bis zu einem halben Meter. Was wir von ihnen essen, ihr Schwanz, ist nichts anderes als ein großer Muskel", erklärt der junge Garnelenzüchter aus Hall in Tirol.

Vor vier Jahren hatten Flock und sein Großcousin Markus Schreiner die Idee, die Meerestiere zu züchten. Beide Männer teilten von Kindesbeinen an die Leidenschaft für Aquaristik. Und darüber hinaus den Gusto auf Krustentiere. Als Flock eines Tages einen Bericht über die Garnelenzucht in Asien las, verging ihm dieser Appetit jäh: "Dort wird unter massivem Einsatz von Medikamenten und Chemikalien gearbeitet. Zudem waren diese Garnelen meist schon monatelang tiefgefroren, bevor sie bei uns auf dem Teller landen." Die Großcousins, die beide als Konstrukteure arbeiten, fassten den Entschluss, eine Versuchsanlage zu bauen, um selbst Garnelen züchten zu können.

Bis zu 300 Kilogramm Garnelen züchtet Daniel Flock mit seinem Großcousin im Keller einer alten Kaserne in Hall...
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Man mietete sich schließlich in einen Keller eines Gemüsebauern in der ehemaligen Straubkaserne, direkt am Beginn der Absamer und Thaurer Felder, ein. Von außen weist nichts darauf hin, dass hier unten, hinter der alten Brandschutztür, Österreichs erste und bislang einzige Garnelenzucht steht. Nur ein "Fotografieren verboten"-Schild lässt erahnen, dass die Jungunternehmer wohl wissen, dass ihre Idee alsbald Nachahmer finden könnte. Denn die Nachfrage ist enorm.

Hinten anstellen

Obwohl Flock und Schreiner derzeit nur experimentell 200 bis 300 Kilo Garnelen pro Jahr züchten, stehen die potenziellen Abnehmer schon Schlange: "Wir könnten bereits ein Vielfaches dieser Menge verkaufen." Mangels Homepage können sich Interessierte lediglich via Facebook an die beiden wenden. "Wir reihen die Anfragen chronologisch und melden uns, sobald wir wieder etwas abzugeben haben", erklärt Flock den Vertrieb. Derzeit liegt der Preis für ein Kilogramm Tiroler Alpengarnelen bei 60 bis 70 Euro. Ein noch stolzer Preis, der mit steigender Produktionsmenge aber sinken werde, sind die beiden überzeugt.

Ein begeisterter Kunde der Alpengarnelen ist Küchenchef Markus Sorg vom Gesundheitszentrum Park Igls. Das Hotel bietet seinen Gästen exklusiv diverse Kuren mit passender hochwertiger Diät. "Wir zeigen, dass gesunde Küche auch kreativ und exquisit sein kann", erklärt Sorg. Die Garnelen aus Tirol hat ihm eine Mitarbeiterin empfohlen. Da der Koch bei allen Produkten auf Nachhaltigkeit und Qualität bedacht ist, probierte er sie aus. Und war auf Anhieb begeistert: "Der Geschmack ist traumhaft, überhaupt nicht mehlig, wie bei den Gambas aus Vietnam, die zu schnell aufgezogen werden. Sie sind auch insgesamt etwas kleiner." Sorg berichtet von einer deutlich dünneren Schale und knackigerem Fleisch mit leichter Nussnote: "Durch die zarte Schale dringt die Hitze beim Garen schneller ein, und sie bleiben saftiger."

... die potentiellen Abnehmer stehen bei den Tirolern bereits Schlange
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Die Alpengarnelen werden gekühlt, aber nicht tiefgefroren geliefert. Das erlaube eine andere Verarbeitung, berichtet der Küchenchef. So serviert er seinen Gästen etwa Ceviche von der Tiroler Garnele. Dabei wird das Fleisch roh in Limettensaft gegart. "Es braucht besondere Frische und Qualität, um so ein Gericht zuzubereiten", sagt Sorg. Mit importierten Tiefkühlprodukten würde er das nicht wagen. Ein anderer Gaumenschmaus aus Sorgs Küche ist das karamellisierte Garnelen-Carpaccio mit Bittersalaten, Wildkräutern und Amalfi-Zitronen-Chutney. Angesichts des Preises der Garnelen glaubt der Koch, dass sie ein Produkt sind, das der gehobenen Gastronomie vorbehalten bleiben wird. Wobei mit steigender Verfügbarkeit frischer Krustentiere wohl auch ihr Einsatzgebiet breiter wird.

Mitbewerber

Im benachbarten Bayern gibt es bereits erste Garnelenzüchter. Dort steht in Langenpreising seit mehr als zwei Jahren Europas größte Aquakultur-Kreislaufanlage für Biogarnelen. Unter dem Namen Crustanova sind auch dort zwei junge Männer ins Geschäft mit den Krustentieren, die keine langen Transportwege hinter sich haben, eingestiegen.

Flock und Schreiner haben jedoch keinen Kontakt zu den erfahreneren Mitbewerbern. Insgesamt schätzen sie den Markt in Europa für groß genug ein, um problemlos nebeneinander bestehen zu können.

Anfang nächsten Jahres wollen die Großcousins mit ihrer Marke Alpengarnelen dann richtig ins Business einsteigen. "Unser Ziel ist es, rund 20 Tonnen pro Jahr zu produzieren", sagt Flock. Im Moment prüfen sie mögliche Standorte für ihren Betrieb. Das große Problem bei der Garnelenaufzucht ist der Energiebedarf. Die Becken müssen konstant rund 28 Grad warm sein. Dazu kommt die Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff und vor allem mit Bakterien. Letztere machen den Einsatz von Medikamenten und Chemikalien obsolet. "Wegen der Bakterien ist auch das Wasser leicht bräunlich", erklärt Flock.

Drei Becken stehen im Keller des alten Kasernengebäudes. Das kleinste fasst rund 700 Liter Wasser. Es dient als "Quarantänekübel", wie Flock es nennt. Dort werden die wenige Tage alten Larven, die ein zertifizierter Händler liefert, nach ihrer Ankunft eingesetzt. Nach Ablauf der Quarantäne, wenn klar ist, dass die Tiere gesund sind, kommen sie ins mit 3000 Liter Fassungsvolumen größere Zwischenbecken. Zur "Erntereife", die bei einem Gewicht von 20 bis 30 Gramm liegt, wachsen sie im Hauptbecken heran, das mit 13.000 Litern die Hälfte des niedrigen, wegen der hohen Temperaturen stickigen Kellerraumes einnimmt.

Dank der Wasseraufbereitungsanlage und des Biofilters entsteht nur wenig Abwasser. Den hohen Energiebedarf der Zucht wollen die beiden künftig durch die Nutzung von Abwärme von Industriebetrieben sowie Biogas decken: "Das spielt bei der derzeit laufenden Standortsuche eine wichtige Rolle."

Mit ihren Plänen, die ihnen 2016 den dritten Platz beim Innovationspreis der Österreichischen Jungbauernschaft einbrachten, stellen die beiden auch die Behörden vor eine ganz neue Herausforderung. Denn Garnelenzucht war hierzulande bislang kein Thema, und daher existieren auch kaum Bestimmungen, die diese gesetzlich regeln. "Man nimmt viele Anleihen in der Fischzucht", sagt Flock. Anfangs sei das sehr schwierig gewesen. Aber mittlerweile sei die Gesprächsbasis mit der Lebensmittel- und Veterinärbehörde bestens.

Die Anlage im Keller der Kaserne wird Ende des Jahres ausgedient haben, hoffen die angehenden Jungunternehmer. Allerdings überlegen sie, die Tanks mitsamt den endlosen Gartenschlauchleitungen für Versuchszüchtungen weiterzunutzen. Ob sie ihre Zivilberufe als Konstrukteure an den Nagel hängen, um fortan nur mehr alpine Krustentiere zu züchten, lassen sie noch offen. (Steffen Arora, RONDO, 8.7.2017)