In dem Moment, als Sagan den Ellenbogen gegen Cavendish (li) ausfuhr, war der Sturz des Briten bereits unausweichlich.

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Vittel – Der Ausschluss von Rad-Weltmeister Peter Sagan (Team Bora-hansgrohe) von der Tour de France nach dem Sturz-Desaster im Zielsprint der vierten Etappe am Dienstagabend sorgt auch noch tags darauf für hitzige Diskussionen. Im Zentrum dabei steht die Schuldfrage.

Cavendish selbst Auslöser des Sturzes

Ein genaues Studium des Unfallhergangs legt nahe, dass der Ausschluss des Slowaken zu hart war, weil der schwer gestürzte Brite Mark Cavendish (Dimension Data) selbst einen nicht unwesentlichen Anteil an dem spektakulären Crash hatte, wie eine Zeitlupenstudie zeigt.

Der Teamkollege von Bernhard Eisel hatte sich vor dem verhängnisvollen Zwischenfall mit dem Kopf gegen Sagan gelehnt, kam danach in gefährliche Schieflage und war bereits in Begriff zu stürzen, als der Slowake den Ellenbogen ausfuhr. Nach dem Kontakt mit dem 27-Jährigen krachte der britische Routinier mit voller Wucht in die Absperrgitter, schlug hart vor dem deutschen John Degenkolb (Gera/Trek-Segafredo), der ebenfalls stürzte, auf der Straße auf. Cavendish erlitt einen Bruch des Schulterblattes und musste "die Tour der Leiden" vorzeitig beenden.

Greipel rudert zurück

André Greipel (Lotto-Soudal) hat nach seiner zunächst scharfen Kritik an Sagan seine Meinung geändert. "Manchmal sollte ich mir die Bilder ansehen, bevor ich rede. Entschuldigung an Peter Sagan – die Strafe ist zu hart", twitterte der Deutsche noch am Dienstagabend.

Zuvor hatte sich der 34-Jährige im Zielsprint unfair attackiert gefühlt. "Hör auf! Du hast mich zum zweiten Mal beinahe umgebracht!", hatte er zu Sagan gesagt. Der Slowake meine, sich "alles erlauben zu können".

Protest eingelegt

Das deutsche Team Bora-hansgrohe hat bei der Rennleitung noch am späten Dienstagabend offiziell Protest gegen den Ausschluss Sagans eingelegt. Der Slowake habe versichert, den schweren Sturz von Cavendish "weder verursacht noch in irgendeiner Weise beabsichtigt zu haben".

Sagan selbst teilte mit: "Ich habe im Sprint nicht gewusst, dass Cavendish hinter mir war. Er kam sehr schnell von hinten, und ich hatte einfach keine Zeit mehr zu reagieren und nach links auszuweichen." Cavendish und er seien "Freunde und Kollegen im Peloton. Ich hoffe, dass Mark sich schnell erholt."

Einspruch abgelehnt

Ein Einspruch gegen die Disqualifikation wurde von der Jury am Mittwochvormittag vor dem Start der fünften Etappe abgelehnt. Laut UCI-Reglement sind Entscheidungen der Kommissäre endgültig. "Peter Sagan hat auf den letzten Metern des Sprints Kollegen ernsthaft gefährdet", begründete Jury-Präsident Philippe Marien die Entscheidung.

Auch am Tag danach sah sich Sagan schuldlos. "Ich muss die Entscheidung der Jury akzeptieren. Aber ich glaube nicht, dass ich im Sprint irgendetwas falsch gemacht habe", erklärte der zweifache Straßen-Weltmeister.

Die Hoffnungen von Cavendish endeten jedenfalls im Spital von Nancy. "Ich bin natürlich völlig enttäuscht. Ich sah mich in einer guten Position, um zu gewinnen. Dass ich nun die Tour verlassen muss, ein Rennen, um das ich meine gesamte Karriere gebaut habe, ist wirklich traurig", erklärte der mit 30 Etappensiegen erfolgreichste aktive Tour-Teilnehmer.

Eine Operation ist bei dem 32-Jährigen nicht nötig. Cavendish hatte sich nach einer langen Krankheitspause wegen Pfeifferschem Drüsenfieber erst kurzfristig für eine Teilnahme bereit erklärt.

Haselbacher: "Wer bremst, verliert"

René Haselbacher, ein bekennender Fan von Sagan, nannte den Ausschluss des Slowaken vertretbar. Der zweimalige Tour-Teilnehmer, als Sprinter oft mitten im rauen Geschehen und selbst schwer zu Sturz gekommen, teilt die Schuld am Crash mit "fast 50:50. Man weiß ja, wie Cavendish fährt. Wer bremst, verliert. Die sind alle keine Eier."

Der Burgenländer hebt aber die generalpräventive Wirkung des Ausschlusses eines Stars wie Sagan angesichts immer härter werdender Sprints hervor. "Millionen Menschen sehen im Fernsehen den Ellenbogenkick und den Sturz. Unabhängig davon, welches Bild sich Experten nachträglich von der Situation machen." Man könne auch dem Nachwuchs nur schwer erklären, dass derartige Aktionen fast ohne Konsequenzen bleiben. Haselbacher: "Seinem Marktwert wird die ganze Sache ganz sicher nicht schaden." (red, sid, APA, 5.7.2017)

Eine Hommage von Peter & Katarina Sagan an "Grease".
Peter Sagan