Keine Woche hat es gedauert, bis es den parteiamtlich bejubelten Prinzen, der unbedingt das Dornröschen Österreich wachküssen will, erwischt hat, aber gründlich. Was am Wochenende den Eindruck erwecken sollte, die ÖVP habe er schon wachgeküsst, war ja eher Mund-zu-Mund-Beatmung an einer Bewusstlosen, die ihm zuvor mangels anderer Hoffnungen den Freibrief ausgestellt hatte, mit ihr nach Belieben zu verfahren. Nach den vom Falter aufgedeckten Manipulationen an der Studie zu den Islam-Kindergärten werden einige in der Volkspartei zu denken beginnen, das hätte man sich unter Mitterlehner erspart. Da hilft auch keine Freundin Susanne, aber zumindest zwei frei laufende Fans sind Sebastian Kurz geblieben: Michael Jeannée im Auftrag der Krone und Bundeskanzler Kern, der in einer Anwandlung sinistren Humors überzeugt sein wollte, der Außen- und Desintegrationsminister habe von den Metamorphosen der Studie nichts gewusst.

Ganz ausschließen kann man das natürlich nicht, was allerdings bedeuten würde, dass Kurz sein Ministerium nicht im Griff hat und Beamte dort mit der wissenschaftlichen Studie eines Universitätsprofessors nach eigenem Gutdünken verfahren, soweit sie dieses nur mit dem des Ministers für kompatibel halten. Dafür hat es dieser an Hinweisen nicht fehlen lassen, seit er die internationale Migrationskrise und die islamistische Gefahr als Krücke für seinen Wahlkampf in Österreich nutzt. So sehr Eigeninitiative auch bei Beamten als Tugend gelten darf, könnte sie hier überschießend wirksam geworden sein und müsste daher eine Reaktion des Ressortchefs zur Folge haben, sollte nicht der Verdacht entstehen, die Anregung zu dieser Umfassonierung sei direkt von ihm ausgegangen. Indirekt waren sie durch viele Wortspenden des Ministers während der letzten Wochen ohnehin gedeckt.

Was die Reaktionen des Ressorts auf den "Frisiersalon Kurz" im Falter betrifft, kann sich der Minister nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Spätestens da müsste er lenkend eingegriffen haben, und sollte er es getan haben, stellte ihm das ein Zeugnis aus, das nicht geeignet ist, einen Aufstieg zum Bundeskanzler zu empfehlen. Da bestellt das Ressort bei einem Universitätsprofessor eine Studie, deren Qualitätskriterien – fröhliche Wissenschaft! – dann Beamte im Nachhinein festlegen. Man will ja sicher sein, dass die 36.000 Euro dafür nicht beim Fenster des Ministeriums hinausgeworfen sind.

Noch seriöser ist da nur noch der Vorwurf, der türkische Geheimdienst habe des Professors Computer gehackt und das Verhackerte dem Falter zugespielt. Was am schriftlich dokumentierten Sachverhalt nichts ändert, aber die Frage aufwirft, was das für ein Geheimdienst sein kann, wenn er sich das Beste – die Manipulationen des Ministeriums – entgehen lässt. Dass an der Wissenschaftlichkeit der Studie überhaupt gezweifelt wird, ist da nur eine kleine Draufgabe.

Man darf gespannt sein, welche Konsequenzen Kurz nun anbietet. Ein Rücktritt als Außenminister wäre nicht übertrieben, er könnte ja immer noch Vizekanzler werden. Den Beleidigten zu spielen wie Pröll wäre zu wenig. (Günter Traxler, 6.7.2017)