International und regional: Hemma Schmutz will die Strahlkraft des Lentos vergrößern und internationale Kooperationen intensivieren.

Foto: Susanne Maschek

Linz – Als der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SP) aus dem von der Findungskommission präsentierten Dreiervorschlag die aus Kärnten gebürtige Kunst- und Kulturmanagerin Hemma Schmutz wählte, begeisterten ihn neben ihrer hohen fachlichen Expertise "vor allem ihre Fähigkeit, Mitarbeiter zu motivieren, sowie ihre Offenheit und Art, nach außen aufzutreten". Auch VP-Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer lobte die "hohe soziale Kompetenz" der neuen Lentos- und Nordico-Chefin. Schmutz selbst erachtet den respektvollen Umgang mit dem Team als wichtige Führungsaufgabe: "In unserem Bereich ist der Erwartungsdruck immens, erhöht noch durch die Nach-oben-Lizitierung der Besucher. Den darf man nicht an Mitarbeiter weitergeben."

STANDARD: Ist das Museum eine geschützte Werkstätte?

STANDARD: Es gibt einen großen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Institutionen. In einer privaten Einrichtung kann man sehr viel verlangen, man arbeitet mit großer Energie. In einer öffentlichen Institution hat man Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Fähigkeiten und Qualitäten. Da kann und darf man nicht immer von den Overachievern ausgehen, die nichts anderes kennen als die Arbeit. Ein ganzes Arbeitsleben von vierzig Jahren vernünftig zu organisieren bedarf großer Aufmerksamkeit des Einzelnen und der Führungskraft.

STANDARD: Wie schwierig ist es, mit einem bestehenden, eingespielten Team Neuerungen durchzusetzen?

Schmutz: Ich wähle, passend zu unserer Lage an der Donau, ein Bild: Einen Tanker, der langsam fährt, kann man auch nicht plötzlich stoppen, sein Kurs lässt sich nicht plötzlich ändern. Das muss man vorsichtig, mit Bedacht und über einen längeren Zeitraum tun. Da gehört auch eine bestimmte Klugheit dazu. Sonst besteht die Gefahr, dass man zwar alles Bisherige zerstört, es einem aber nicht gelingt, stattdessen Neues zu realisieren.

STANDARD: Als erstes Zeichen der Veränderung wird nach einer Neubesetzung zunächst kräftig umgebaut. Was planen Sie?

Schmutz: Jedenfalls keine Ersatzhandlung nach dem Motto: alles neu. Mir ist es immer schon ganz gut gelungen, existierende Qualitäten aus einem Haus herauszuholen. Da gibt es vieles, was vielleicht eine Zeit lang brachlag, zum Beispiel unser wunderbarer Veranstaltungsraum. Der wird zwar intensiv vermietet, aber wir sollten ihn selber mehr nutzen.

STANDARD: In Ihrer Bewerbung sprachen Sie vom "Aufbrechen der Institutionen". Was genau heißt das?

Schmutz: Die Architektur des Lentos ist großartig. Aber es gibt bestimmte Problemfelder: Die Hinführung zum Eingang etwa ist nicht wirklich gelungen. Auch der Zugang vom Wasser her ist optimierbar. Da herrscht täglich ein reger Schiffsverkehr, das Lentos wirkt wie eine Trutzburg. Und ich will auch den Zugang zu verschiedenen Bevölkerungsschichten suchen. Das ist in Linz mit seiner Tradition als Arbeiterstadt ein besonders wichtiges Thema. Viele Menschen wurden von ihrer Ausbildung oder dem kulturellen Umfeld her nicht unbedingt von klein auf zu Museumsbesuchen ermuntert. Aber wir haben ein hochqualifiziertes Vermittlungsteam, ein Viertel unserer Besucher kommt über die Kunstvermittlung.

STANDARD: Sie wollen internationale Kooperationen intensivieren: Gab's die in der Vergangenheit nicht?

Schmutz: Natürlich gab es welche mit der Tate Liverpool oder dem Museum Liechtenstein. Aber ich möchte das Lentos noch bekannter machen und intensiver mit unseren unmittelbaren Nachbarn zusammenarbeiten: Mit Tschechien verbindet uns eine gemeinsame Geschichte.

STANDARD: Wie schwierig ist der Spagat zwischen populär und anspruchsvoll, zwischen internationaler Strahlkraft und regionaler Akzeptanz?

Schmutz: Es wird nicht jedes Projekt für jeden passend sein. Aber in einer guten Mischung und einem gewissen Rhythmus kann man ein adäquates Programm realisieren. Es ist eine immense Leistung, dass Linz ein Museum dieser Qualität hat. Darauf muss man stolz sein! Die Errichtung wurde, die Erhaltung wird von der Stadt allein getragen. Das ist etwas Besonderes, nur wenige Städte können ein solches Engagement vorweisen. Doch dann kamen sehr hohe Erwartungshaltungen, die ein Haus dieser Größenordnung nicht erfüllen kann. Meine Überlegungen gehen dahin, wie man größere Strahlkraft und vermehrte Kooperationen erzielen und auf der anderen Seite das aufnehmen kann, was für das Haus und die Region spezifisch ist.

STANDARD: Das heißt konkret?

Schmutz: Einige Dinge werden ganz direkt mit der Stadt zu tun haben, andere die internationale Dimension verdeutlichen: Die gebürtige Linzer Künstlerin Valie Export verkörpert Internationalität und ist bedeutsam für die Region. In Kürze wird das Valie-Export-Center in die Linzer Tabakfabrik einziehen. Der Aufbruch der 1968er-Jahre war für sie, für Europa und die Ausrichtung der Gesellschaft von großer Bedeutung. Diesem Phänomen möchte ich eine Ausstellung widmen, und ich möchte mit der Geschichte des eigenen Hauses arbeiten, etwa mit der Sammlung Wolfgang Gurlitts. Und thematisieren, dass 1950 in Linz das Führermuseum hätte eröffnet werden sollen.

STANDARD: Das Ankaufsbudget beträgt ein bisschen mehr als 100.000 Euro. Ausreichend?

Schmutz: Natürlich hoffe ich, es erhöhen zu können. Wir sind gut aufgestellt, was österreichische Kunst nach 1945 betrifft. Nun fände ich es reizvoll zu überprüfen, was zeitgleich in Tschechien passiert ist. Vielleicht können wir einige Hauptwerke kaufen, die quasi wie ein Gegenüber in unserer Sammlung wirken können.

STANDARD: In Sparzeiten wird Sponsorensuche immer wichtiger. Liegt Ihnen das?

Schmutz: Doch, doch! Wenn man neu in einer Stadt ist, geht man offen auf alle zu. Man kann nichts verlieren, sondern nur gewinnen.

STANDARD: Zyniker sagen, Sie können nur gewinnen, weil die Besucherzahlen des Lentos alles andere als berauschend waren.

Schmutz: Na ja, das ist schon ein bisschen überheblich! Wenn jeder vierte Linzer einmal im Jahr hierher kommt, dann ist das doch keine schlechte Sache! Fürs Lentos sind das 50.000 Menschen. Das sind übrigens auch die Besucherzahlen der Kunsthalle Wien, die aber doch mit ganz anderen Konditionen rechnen kann, sowohl von den Einwohnern als auch von den Touristen her. Aber natürlich, unser Anliegen ist, das Haus noch attraktiver zu machen, damit uns noch mehr Menschen besuchen. (Andrea Schurian, 9.7.2017)