Marion Mitsche über Listenerstellungen für Wahlen: "Du wirst bei den Grünen einfach durchgereicht."

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STANDARD: Wie geht es Ihnen nach den letzten turbulenten Tagen?

Mitsche: Ganz gut. Ich muss sagen, mir ist natürlich auch eine Last von den Schultern gefallen. Die Partei hat versucht, mir entgegenzukommen, aber das, was ich gebraucht hätte, war nicht dabei.

STANDARD: Was wäre das gewesen?

Mitsche: Dass wir hinschauen, was bei der Landesversammlung passiert ist.

STANDARD: Rolf Holub sagt, die Listenerstellung war statutenkonform.

Mitsche: Die Asylwerber, die mitgestimmt haben, wurden statutenkonform aufgenommen. Aber es geht darum, ob die Abstimmung ungültig war, weil einige von ihnen nicht Deutsch konnten. Es ist bezeugt, dass man ihnen auf den Abstimmungsgeräten zeigte, wo sie drücken sollen. Bei der Landesversammlung hatten wir Abstimmungsgeräte. Aber auch bei den Wahlkreiswahlen, wo man auf Papier abgestimmt hat, wurde mir aus Klagenfurt gemeldet, dass gezeigt wurde, wo sie ankreuzen sollen. Das wollten Menschen sogar eidesstattlich erklären.

STANDARD: Konnten sie Englisch?

Mitsche: Manche nicht einmal das. Es geht mir nicht darum, dass sie Mitglieder werden dürfen. Ja, wir sind eine offene Partei, aber man muss zumindest darüber diskutieren, wie man damit umgeht.

STANDARD: Was hätten Sie da für Vorschläge gehabt?

Mitsche: Zum Beispiel eine Art Probezeit, eine Mitgliedschaft vorerst auf ein Jahr, damit man die Abläufe kennenlernt. Dass es Mobilisierung gibt, ist klar. Da nehme ich mich nicht aus. Ein gewisser interner Wahlkampf ist normal. Aber jetzt sind wir in der Bevölkerung nicht mehr glaubhaft.

STANDARD: Was gab es sonst für Gründe für Ihren Rückzug?

Mitsche: Dass Geschäftsführer Christoph Gräfling und ich nicht miteinander konnten, war bekannt. Man wollte mir entgegenkommen, indem er einen anderen Aufgabenbereich bekommt, aber ich wollte einen klaren Strich.

STANDARD: Rolf Holub und Sie gaben am Donnerstag zwei völlig entgegengesetzte Erklärungen ab ...

Mitsche: Am Mittwoch gab es eine erste Aussprache, bei der ich sagte, dass ich in diesen Punkten eine Klärung brauche. Dann gab es den Versuch, eine gemeinsame Erklärung zu verfassen. Ich habe meinen Teil über Reformen geschrieben. Als ich sah, dass Holub eine Klärung interner Unstimmigkeiten behauptete, hab ich das rausgestrichen und gesagt, dass das stimmt nicht, das kann ich nicht unterschreiben. Es ist doch naiv, auf eitel Wonne zu tun und überall nur drüberzuwischen. Wir müssen Konflikte endlich angehen. Da hätten wir gestärkt daraus hervorgehen können.

STANDARD: Wie genau?

Mitsche: Ich wollte in einer Landesvorstandssitzung am Samstag mit mehr als 20 Menschen alles besprechen. Das ist das zweithöchste Gremium der Kärntner Grünen. Ich wollte über Reformen sprechen und dann noch einmal in die Öffentlichkeit gehen. Ich muss mir ja nicht vorher zusätzlich Druck über die Öffentlichkeit machen. Ich bin stolz, dass ich mich nicht überreden ließ, die Erklärung zu unterschreiben. Da standen vier Menschen um mich herum, drei Pressesprecherinnen und der Geschäftsführer, aber ich konnte es einfach nicht.

STANDARD: Holub ging dann sowieso an die Öffentlichkeit.

Mitsche: Ich verstehe nicht, warum. Ich bin die Landessprecherin, er ist – ich sage das jetzt ganz hart – nur der Landesrat, ein Teil des Leitungsteams. Aber er spricht nicht für die Kärntner Grünen. Ich musste dann reagieren und habe das auf Facebook getan. Weil es einfach nicht wahr war. Alle, die die Situation kannten, wussten, dass es keine Einigung gab. Dieses Bild nach außen verkaufen zu wollen ist naiv. So etwas hat man im Bund auch lange versucht.

STANDARD: Wen meinen Sie damit konkret?

Mitsche: Nicht nur Eva Glawischnig allein. Ich habe auch Ingrid Felipe als Bundessprecherin um Hilfe gebeten. Sie hat ihre Führungsrolle nicht wahrgenommen. Nur zu sagen: "Vertragts euch!", das ist ein bisserl wenig. Ich war ja auch dabei, als das mit den Jungen Grünen diskutiert wurde, da hat ja schon alles angefangen. Wie man mit den Jungen in der Partei umgegangen ist, war nicht nötig. Seit der Wahl Alexander Van der Bellens bröselt es nur noch. Und dann noch der Rückzug von Peter Pilz! Die Grünen haben die Tradition, Konflikte auszusitzen, statt sie in Angriff zu nehmen. Sie sind gut im Papiere-Produzieren, aber nicht in der Umsetzung. Ich war immer eine Landessprecherin, die Dinge machen wollte. Ich habe gesehen, dass wir bei den Frauen eine Schwäche haben, da hab ich die Grünen Frauen in Kärnten gegründet. Das hat nicht allen gepasst. Ich wollte die Partei breiter aufstellen, bin auch auf Kirtage gegangen. Sie können sich nicht vorstellen, was los war, weil ich ein Dirndl angezogen habe. Ich habe mich auch sehr für Basisdemokratie eingesetzt.

STANDARD: An der Sie und Pilz letztlich scheiterten. Sind Sie noch immer ein Fan der Basisdemokratie?

Mitsche: Auf jeden Fall. Aber ich bin auch geläutert. Ich dachte immer, die Basis wird schon den richtigen Weg vorgeben. Aber da gibt es Spielregeln, die sehr missbraucht werden können. Gewisse Dinge, wie etwa wer ein Mandat ausüben sollte, sollten schon vorher in einem Gremium entschieden werden. Bei Pilz und Schmid hätte die Bundesspitze vorher mit den Delegierten kommunizieren müssen, worum es geht – oder sagen: "Bitte, Julian, kandidiere auf Platz sechs!" Denn ich glaube nach meiner eigenen Erfahrung, dass der sechste Platz für Pilz auch nicht so sicher war. Du wirst bei den Grünen einfach durchgereicht. Ich hätte das vor unserer Listenwahl selbst nicht geglaubt.

STANDARD: In der Steiermark gab es solche Gespräche vorher. Judith Schwentner musste etwa nicht gegen Werner Kogler um Platz eins auf der Landesliste antreten.

Mitsche: Solche Beispiele gab es auch bei uns in Kärnten im Wahlkreis West. Dafür muss man die Basisdemokratie nicht abschaffen. Aber so, wie es jetzt bei uns war, habe ich nur die Rede des jeweiligen Kandidaten – und manche verstehen nicht einmal die.

STANDARD: Was machen Sie jetzt? Eine neue Liste wie Pilz?

Mitsche: Ich lasse das auf mich zukommen. Mir wird jedenfalls rückgemeldet, dass viele Mitglieder und Gemeinderätinnen in Kärnten die Mitgliedschaft zurücklegen. Die Frage ist, kämpft man gemeinsam auf einer Liste? Es gibt bei vielen die Thematik, nicht mehr in dieser Partei, aber in der Politik weitermachen zu wollen. Sehr viele warten auch darauf, was Peter Pilz jetzt macht. Er ist für viele eine Hoffnung. (Colette M. Schmidt, 11.7.2017)