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Was hätte Jesus getan?

Foto: ap/Emilio Morenatti

Ich bin dem Sarkasmus im Kommentar der anderen von Stephan Schulmeister – "Was ist christlich an der Schließung der Mittelmeerroute?" – zunächst auf den Leim gegangen. Das Traurige daran: Der Grund ist, dass ich solche zutiefst menschenverachtenden Meinungen in letzter Zeit bis zum Erbrechen gehört habe, ernst gemeint und manchmal auch unter einem angeblich "christlichen" Deckmäntelchen. Da wird das Ertrinken von Menschen, sogar von kleinen Kindern, als "geringeres Übel" angesehen, schließlich stehe unser Wohlstand auf dem Spiel. Vom Reden bis zur Ausführung reichen oft wenige Jahre oder Jahrzehnte, das wissen wir aus der jüngeren Geschichte.

Gar nichts ist christlich an der Schließung der Mittelmeerroute. Menschen, die auf der Flucht vor unerträglichen Bedrohungen sind und nichts zu verlieren haben, werden auch durch noch so große Gefahren nicht abgeschreckt werden. Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, christlich zu handeln, ist eine Verbesserung der Situation in den Herkunftsländern, auch wenn das nicht von heute auf morgen, vielleicht in manchen Ländern auch nie erreichbar ist. Aber es lohnt sich, daran zu arbeiten. Und es geht darum, jene, die trotzdem daheim keine Überlebenschance haben, so gut es geht darin zu unterstützen, sich woanders ein neues Leben aufzubauen. Dazu gehört auch die Schaffung sicherer, legaler Fluchtmöglichkeiten für diejenigen, die von Krieg und Verfolgung bedroht sind. Damit minimiert man die Geschäftemacherei skrupelloser Schlepper.

Was ist christlich?

Was hätte Jesus getan? Mir ist keine Geschichte in der Bibel bekannt, in der Jesus Menschen zurückwies, die auf seine Hilfe angewiesen waren (doch, eine, aber da erbarmt er sich schließlich doch). Die meisten Menschen, die sich an ihn wenden, werden in der Bibel nicht so beschrieben, als ob sie der damaligen angesehenen Mehrheitsgesellschaft angehörten. Der barmherzige Samariter – Samariter hatten damals einen ähnlichen Status wie heute Ausländer und Flüchtlinge – wird von Jesus als Vorbild und Nächster gesehen, nicht derjenige, der brav seine Pflicht im Tempel erfüllt und am Verletzten vorübergeht. Auf heute übersetzt: In die Kirche gehen, aber Menschen im Stich lassen geht gar nicht.

Christlich ist, daran zu glauben, dass wir uns "dann" wiedersehen, für immer. Das heißt, dann denen in die Augen zu sehen, die wir heute verrecken lassen, im Hunger, im Krieg, im Meer – oder denen, mit denen wir heute gemeinsam an einer besseren Welt arbeiten.

Christlich ist, sich zu fragen: Wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Christlich ist, auf der Seite des aus der Sklaverei flüchtenden Volkes zu stehen, nicht auf der Seite des Pharaos. Christlich ist, die Liebe über das Gesetz stellen. Christlich ist, Schwierigkeiten wahrzunehmen, eine Hoffnung zu haben, dass sie bewältigt werden können, Verantwortung zu übernehmen und daran zu arbeiten. Christlich geht anders. (Monika Schöner, 11.7.2017)