Von Nutzern gemeldete Hasspostings und andere anstößige Inhalte auf Facebook werden in Deutschland beim Dienstleister Arvato bearbeitet. Nun zeigte man ausgewählten Journalisten erstmals das Löschzentrum.

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Als Facebook vor über 13 Jahren gegründet wurde, ahnte wohl noch niemand, wie groß und einflussreich das Unternehmen einmal werden würde. Das soziale Netzwerk hat mittlerweile zwei Milliarden aktive Nutzer im Monat und erwirtschaftet mit Werbung Milliarden Dollar. Schöne Momente mit Freunden teilen, gemeinsame Veranstaltungen organisieren, alte Bekannte wiedertreffen: Dafür will Facebook stehen. Doch die heile Welt wird getrübt: Hasspostings, Hetze und illegale Inhalte prägen die Diskussion, wenn es um das Netzwerk geht. In Deutschland hat das Unternehmen nun erstmals vier deutschen Journalisten Einblick in sein Löschzentrum gegeben, das von dem Dienstleister Arvato betrieben wird.

Notfallaufkleber an jedem Schreibtisch

Redakteur Fabian Reinbold schildert auf "Spiegel Online" seine Eindrücke von dem Besuch. Dass bei Facebook einiges anders ist als in anderen Büros, wird schnell klar. Das Großraumbüro wird "Produktionsfläche" genannt, an den Eingängen gibt es strenge Sicherheitsvorkehrungen. Handys, Kameras oder Taschen sind nicht erlaubt. Die Journalisten durften 15 Minuten lang filmen, berichtet die "Tagesschau", die ebenfalls eingeladen worden war. Auf den Tischen sind Notfallaufkleber mit Kontaktdaten von Psychologen angebracht. Denn die Mitarbeiter des Löschzentrums bekommen mitunter schreckliche Fotos und Videos zu sehen.

Eine Mitarbeiterin erzählt den Journalisten, dass sie gleich in ihrer ersten Woche ein Enthauptungsvideo zu Gesicht bekommen habe, wonach sie erstmal den Raum habe verlassen müssen, um zu weinen. Das sei aber das einzige Mal gewesen, sie habe sich daran gewöhnt, bekomme nun aber auch nicht mehr die ganz schlimmen Fälle zu begutachten. Ein anderer befragter Mitarbeiter hat damit nach eigenen Aussagen keine Probleme. Er sieht Kinderpornografie, Tierquälerei, Tötungsszenen. Das sei für ihn aber nicht weiter belastend. Facebook betonte schon früher, dass nicht alle Mitarbeiter alle gemeldeten Inhalte zu sehen bekämen und man sich auch nach dem Belastungsgrad der einzelnen Personen richte.

tagesschau

"Inszenierter Besuch"

Facebook will mit der Aktion Transparenz beweisen und zeigen, dass man auf die Forderungen der Politik eingehe. Aber der Besuch wirke auch stark inszeniert, so Redakteur Reinbold. Man versuche "die heile Welt der Content-Moderation" zu zeigen. Laut "Tagesschau" konnten die Journalisten aber recht offene Gespräche mit den Mitarbeitern führen. Für die Interviews wurden ein paar Mitarbeiter ausgewählt, die ihre Eindrücke im Beisein des Pressesprechers schilderten. Bei deren eigentlichen Arbeit konnten die Journalisten nicht zusehen – aus Datenschutzgründen, wie Facebook sagt.

Kritik am Unternehmen gab es seitens der Mitarbeiter nicht – wobei das vermutlich in anderen Unternehmen nicht anders aussehen würde. Die großen Fragen, wie der Löschprozess genau funktioniert und was sich nun mit dem neue Facebook-Gesetz in Deutschland ändern wird, wurden nicht beantwortet. Mit dem Gesetz werden Onlineplattformen verpflichtet, rechtswidrige Inhalte innerhalb einer bestimmten Zeit zu löschen. Auch Fragen nach konkreten Zahlen – wie viele Mitarbeiter etwa für deutschsprachige Inhalte zuständig seien – blieben offen. Die Journalisten sehen in der Aktion zwar einen ersten Schritt in Richtung höherer Transparenz, Facebook müsse aber noch wesentlich mehr tun. (br, 12.7.2017)