Die Radfahraktion "Critical Mass" in Salzburg; in der Mozartstadt hält nur der relativ hohe Radleranteil den Verkehr noch halbwegs am Laufen.

foto: harald gaukel

Salzburg – Verkehrspolitisch wäre die Sache nicht der Rede wert, aber der Vorgang ist von hoher Symbolkraft: Erstmals seit Jahrzehnten ist das größte Freibad der Landeshauptstadt Salzburg an den öffentlichen Verkehr angeschlossen. Seit 8. Juli fährt die Linie 23 alle 20 Minuten das Leopoldskroner Bad (im Salzburger Jargon Lepi genannt) an. Die Verlängerung der kleinen Linie, die eigentlich die nordöstlichen Randbezirke an den Hauptbahnhof anbindet, gilt bis Saisonende am 10. September.

Der Mini-Erfolg für den öffentlichen Verkehr wurde in Salzburg zelebriert wie anderenorts die Eröffnung einer neuen Bahnlinie: Stadtpolitiker ließen sich mit dem neuen 23er fotografieren, verschiedene Parteien reklamierten die Idee ebenso für sich wie einzelne Medien.

Hinter der für Außenstehende kaum nachvollziehbaren Freude über drei Busfahrten pro Stunde zum Lepi in der Zeit von 9 bis 19 Uhr steht die damit verbundene Hoffnung auf einen Paradigmenwechsel der städtischen Verkehrspolitik. In Salzburg werden rund 45 Prozent der Wege mit dem Pkw zurückgelegt, der Leidensdruck im Dauerstau wurde inzwischen einfach zu groß.

Radlmillionen

Bis dato hat nur der relativ hohe Radfahreranteil von 20 Prozent die Stadt einigermaßen am Laufen gehalten. Auch hier gibt es nun kleine Verbesserungen: Das jährliche Radfahrerbudget der Stadt wurde verdoppelt – von einer auf immerhin zwei Millionen. Damit gibt Salzburg pro Einwohner und Jahr immerhin etwas mehr als 13 Euro für Investitionen in die Radinfrastruktur aus.

Großprojekte wie etwa neue Brücken sind in diesem Budget nicht enthalten – sie sollen weiterhin über Sonderfinanzierungen abgewickelt werden. Ziel der Aktion: Bis 2025 soll der Anteil der Radler am Gesamtverkehrsaufkommen auf 24 bis 28 Prozent steigen.

Pendlermaut

Während Symbolpolitik wie der Lepi-Bus oder auch echte Verbesserungen für Radfahrer weitgehend unbestritten sind, ist es bei den Restriktionen für den Individualverkehr schon schwieriger. SPÖ und die grüne Bürgerliste haben eine Pendlermaut beschlossen, durch die sie sich eine deutliche Minderung des Parkdrucks erwarten.

540 Euro pro Jahr, 50 Euro pro Monat soll das Parken für Ein- wie Binnenpendler bald salzburgweit kosten. Start ist in einigen Stadtteilen 2018. Zwischen fünf- und achttausend Fahrten sollen so pro Tag eingespart werden. ÖVP, FPÖ und Neos stemmen sich gegen diese neue Gebühr.

Innenstadtsperren

An weitergehenden Vorschlägen mangelt es nicht. Zwei Themen stechen besonders heraus: Da ist einmal der grüne Planungsstadtrat Johann Padutsch, der laut über ein Fahrverbot für Dieselautos in der Innenstadt etwa zwischen Nonntaler und Lehener Brücke nachdenkt – also eine Umweltzone nach dem Immissionsschutzgesetz. Begründbar sei das mit der permanenten Überschreitung der Schadstoffwerte. Nachteil dieser Variante: Diese Zone könnte nur das Land per Gesetz festschreiben, und da würde man wohl an der ÖVP scheitern.

Richtiggehend "revolutionär" gibt sich Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ). Schaden, der über weite Strecken seiner Amtszeit Restriktionen für den Individualverkehr abgelehnt hat, denkt in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" über eine Totalsperre der Innenstadt für den motorisierten Individualverkehr (ausgenommen Lieferfahrten) nach. Damit wären auch die Staatsbrücke und das Neutor (Tunnel durch den Mönchsberg) zu. Schaden im O-Ton laut "SN": "Wir werden uns überlegen müssen, ob wir nicht für die gesamte Altstadt ein Fahrverbot erlassen. Ich merke einfach, dass immer mehr Leute sagen: Autos, raus aus der Altstadt!"

Für solche Maßnahmen dürfte die Zeit freilich noch nicht gekommen sein, weiß auch Schaden. Immerhin passieren derzeit rund 20.000 Kfzs die Staatsbrücke pro Tag. Was aber von den Vorschlag übrigbleiben könnte, ist die Sperre des Neutors und damit eine wesentliche Verkehrsentlastung für den Weltkulturerbebezirk. Immerhin brausen aktuell immer noch rund 10.000 Autos an der weltberühmten Pferdeschwemme vorbei.

Bustourismus als Verkehrserreger

Apropos Leidensdruck. Wie groß dieser geworden ist, zeigt, dass führende Stadtpolitiker inzwischen sogar bereit sind, die heilige Kuh Tourismus kritisch zu hinterfragen. Täglich steuern bis zu 200 Reisebusse die Aussteigestelle in der Paris-Lodron-Straße in der rechten Altstadt an. In der Festspielzeit sollen es – nach unbestätigten Zählungen – sogar bis zu 300 sein.

Die Busse in den vergleichsweise schmalen Straßen im Andräviertel gehören zu den wesentlichen Verkehrserregern hier. Sie blockieren bei der Aussteigestelle auch einen Knotenpunkt des städtischen O-Bus-Netzes. Dazu kommt, dass die Bustouristen als wenig kaufkräftig gelten. Sie bevölkern zwar zu tausenden die Altstadt, geben aber kaum Geld aus.

Die Vorschläge, wie man der Buslawine Herr werden kann, reichen von einer Kontingentierung mittels Vignettensystem (ÖVP und Stadt-Grüne) über eine Maut (Altstadtmarketing-Chefin Inga Horny in der Gratiszeitschrift "Salzburger Fenster") bis zu höheren Bustarifen (SPÖ-Gemeinderatsklubobmann Bernhard Auinger). Erste Beschränkungen sollen in der Sommersaison 2018 greifen. (Thomas Neuhold, 17.7.2017)