Aus der Not eine Tugend machen? Die Grünen als Frauenpartei zu branden, ist Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek wahrscheinlich zu riskant. Andererseits – warum eigentlich nicht?

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Läuft es in der Politik einmal ganz verkehrt, haben alle Analytiker analysiert und alle Kommentatoren kommentiert, sind es oft Zeichner und Karikaturisten, die den Kern des Problems am besten darstellen (und auf die Schaufel nehmen).

Im Falle des grünen Beziehungsdramas gebührt (der großartige Oliver Schopf möge verzeihen) die goldene Schaufel dem Kurier-Karikaturisten Michael Pammesberger. Er zeichnete ein gekentertes Ruderboot im heimischen Teich/Sumpf(?), aus der Tiefe des Nass blubbert eine Stimme "Rassist/in!", während sich eine andere ereifert: "Es heißt aber trotzdem MANN über Bord, auch wenn es möglicherweise eine Frau oder eine LGBT-Person sein könnte! Und ich bin kein Rassist!!!" Das bringt das grüne Dilemma perfekt auf den Punkt.

Kämpferisch

Egal, wo es dieser Tage hakt bei den Grünen – und es hakt, so scheint's, an allen Ecken und Enden –, immer geht es dabei um einen Kampf Männer gegen Frauen und Frauen gegen Männer. Die Kärntner Misere, der Kampf um die Spitzenposition in Innsbruck, der Abgang von Peter Pilz und seine Bemerkungen im Falter über den heutigen, seiner Meinung nach falsch verstandenen, Feminismus: Die Grünen erschöpfen sich gerade im Geschlechterkampf mit allen Mitteln.

Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, eine von Freund und Feind ob ihrer Fachkenntnis und Sachlichkeit geschätzte Politikerin, bliebe eigentlich nur eines: die (abgewandelte) Gretchenfrage stellen – "wie hältst du's mit den Frauenrechten?" – und die Grünen tatsächlich zur Partei von und für Frauen zu erklären.

Weiblich

Warum eigentlich nicht? Die (theoretischen) Zeichen stünden gar nicht schlecht: Sieht man einmal von Neos-Neuzugang Irmgard Griss ab, die (fast) ganz vorne steht, kandidieren neben Lunacek bei der Nationalratswahl ausschließlich männliche Spitzenkandidaten.

Bis auf die Selbstbeweihräucherung der Regierungsparteien, die Frauenquote in Aufsichtsräten und den Mindestlohn durchgesetzt zu haben, sind Themen, welche die Lebenswelten von Frauen betreffen, bis dato im Wahlkampf kaum präsent. Dass da noch Luft nach oben ist, beweist auch das Frauenvolksbegehren – viel hat sich auf vielen Ebenen seit 20 Jahren noch immer nicht geändert.

Ironisch

Und schließlich: Vielleicht meinen ja nicht nur grüne Funktionärinnen, sondern auch grün-affine Wählerinnen, dass es auch ohne gewisse männliche Politiker geht.

Bevor es aus dem STANDARD-Forum "absurd!", "typisch!", "vollkommen durchgeknallt!" hallt: Achtung, Ironie.

So wird es bestimmt nicht laufen, eine solch radikale Strategie ist den Grünen bestimmt zu riskant. Man wird wohl irgendwie weiterwursteln und tapfer versuchen, die Differenzen zu überspielen. Denn dass sie bis zum 15. Oktober auch überwunden werden können, glauben wohl nicht einmal die größten grünen Optimisten. Die Partei spürt jetzt die Folgen des strapaziösen Bundespräsidentschaftswahlkampfs. Dass alle internen Konflikte beiseite geschoben werden mussten für das ganz große Ziel, Alexander Van der Bellen in die Hofburg zu bringen, war allen Grünen klar. Dass die konfliktfreie Zeit so lange dauern würde – damit hat freilich niemand gerechnet.

Erschöpft

Die ehemalige Chaospartei der Undisziplinierten war während des gesamten VdB-Wahlkampfs beinahe schon unheimlich diszipliniert. Die Grünen verhielten sich so professionell, wie sie nur sein konnten. Dass danach nicht nur die große Erschöpfung aus-, sondern auch viel an Unbewältigtem aufbrach, ist im Grunde nicht verwunderlich. Es wird nach der Wahl wohl munter weitergehen mit dem internen Streit. Aber vielleicht ist es auch der notwendige Anstoß, längst fällige innerparteiliche Widersprüche aufzulösen. (Petra Stuiber, 14.07.2017)