Maler und Musicalproduzent Niki Neuspiel wohnt in einem Turmhaus in Wien-Penzing. Sein Wohnen besteht aus viel Treppensteigen und Kabelakrobatik. Am liebsten, sagt er, wohnt er an der frischen Luft.

"Der rote Fauteuil steht das ganze Jahr draußen. Und sobald es das Wetter zulässt, bin auch ich draußen. Grob könnte man sagen, dass ich von April bis Oktober an der frischen Luft wohne und das größte Wohnzimmer genieße, das man sich nur überhaupt vorstellen kann. Hier wird gefrühstückt, Kaffee getrunken, zu Abend gegessen. Hier wird gedacht, gelesen und entworfen. Vor allem wird hier ganz viel ins Narrenkastl geschaut. Das ist meine allerliebste Beschäftigung.

Foto: Lisi Specht

Das Narrenkastl ist auch wirklich notwendig, um in die Ferne abzuschweifen, denn die umgebende Realität hat etwas gar allzu Gewohntes. Vis-à-vis wohnt mein Schwager, etwas weiter weg vis-à-vis wohnt meine Schwester, in die andere Richtung vis-à-vis wohnen meine Eltern, und seit kurzem wohnt in der gleichen Gasse auch noch die Mutter meiner Schwägerin. Eigentlich müsste die Gasse schon längst Neuspielgasse heißen.

Ich wohne mitten im Grünen, nicht weit von der Baumgartner Höhe. Ich kenne diese Gassln wie meine Westentasche. Aufgewachsen bin ich im Haus gegenüber, und eigentlich wollte ich auch nie wirklich weg von hier. Ich bin ein zutiefst sesshaftes Wesen. Durch Zufall habe ich erfahren, dass dieses Haus leer wurde. Ein schönes, schnuckeliges Haus, Baujahr 1952. Auf den ersten Blick wirkte die Bausubstanz entzückend, doch bei näherer Betrachtung war klar, dass hier alles erneuert gehört: Fenster raus, Böden raus, alle Leitungen raus.

Fotos: Lisi Specht

Im Endeffekt hatten wir es mit einem Rohbau zu tun, denn bis auf die Wände und Innentüren haben wir alles ausgetauscht und erneuert. Ein kleiner Schock zwischendurch war, als wir festgestellt haben, dass das Haus feucht war. Also haben wir die Außenmauern komplett durchgeschnitten und Stahlplatten hineingeschlagen. Es war eine Mammutbaustelle. Aber trotzdem: Innerhalb von wenigen Monaten waren wir fertig. Keine Ahnung, wie uns das gelungen ist!

Ich wohne hier nun seit 1992. Und im Alltag fühlt es sich weniger an wie ein Haus, sondern vielmehr wie ein Turm, denn die Grundfläche ist mit 50 m² recht klein, auch die Wohnräume sind allesamt winzig geschnitten, doch dafür gibt es vier Etagen, und den Großteil des Tages – zumindest bilde ich mir das ein – verbringe ich mit Stufensteigen. Das hält jung und sportlich. Ha! Wenn es bloß so wäre! Doch der Aufstieg lohnt sich. Aus dem Schlafzimmer im Dachgeschoß sehe ich hinüber bis zum Lainzer Tiergarten.

Fotos: Lisi Specht

Ich nutze das Haus auch als Tonstudio und Aufnahmeraum. Mein Tonstudio ist unten auf der ersten Etage, und das Wohnzimmer, gerade 25 m² groß, wird bei Bedarf zu einem Aufnahmestudio. Dann werden Tische und Stühle verrückt und vintageartige Akustikparavents in den Raum gestellt und auf akrobatische Weise Kabel durch die Räume gefädelt. Funktioniert super. Ich mag, dass mein Haus manchmal auch ein öffentlicher Ort ist, dass hier fallweise Kollegen, Regisseure und Intendanten zu Besuch sind. Das ist schön und aufregend zugleich. Und es spiegelt meinen Wunsch nach familiärem und freundschaftlichem Miteinander wider.

Mein Lieblingsort ist der kleine Holzschuppen hinter dem Haus. Den nutze ich zum Basteln, Werkeln sowie als Malstudio. Fast alle meine Bilder sind dort entstanden. Es ist ein wunderbarer Ort, der mich kreativ beflügelt – mit all den Nachteilen und künstlerischen Weltschmerzen, die dort herrschen: Es zieht da drin wie in einem Vogelhaus. Im Sommer ist es zu heiß, im Winter zu kalt. Aber ich glaube, das muss so sein. Das ist der Spirit dieses Ortes. Ich bin wunschlos glücklich. Fast! Ich träume von einem neuen Badezimmer und einer neuen Küche. Aber das sind Luxusträume. Die mögen in Erfüllung gehen oder auch nicht." (17.7.2017)