Noch trainiert Nina Burger für den Ernstfall. Österreich startet am Dienstag gegen die Schweiz, weitere Gruppengegner sind Frankreich und Island.

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STANDARD: Sie haben heuer noch kein Tor im Teamdress erzielt – haben Sie sich die Tore für die Europameisterschaft aufgespart?

Burger: Man will in jedem Spiel Tore machen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, ob ich in den Vorbereitungsspielen oder bei der Europameisterschaft treffe, würde ich mir natürlich die Europameisterschaft aussuchen. Deswegen hoffe ich, dass es bei der EURO mit einem Tor klappt.

STANDARD: Womit kann Österreich die Gegner bei der EM am meisten überraschen?

Burger: Mit unserer taktischen Flexibilität. Wir stellen uns auf die Gegner ein, haben aber auch viele Systeme ausgearbeitet, mit denen wir den Gegner erwischen könnten.

STANDARD: Wie einfach oder schwierig ist es, sich immer wieder auf ein anderes Spielsystem umzustellen?

Burger: Wir haben das schon sehr gut automatisiert. Teilweise kommen noch Kleinigkeiten dazu, die wir in die Trainings einbauen. Wir können uns schnell ein- beziehungsweise umstellen.

STANDARD: Haben Sie persönlich ein Lieblingsspielsystem?

Burger: Nein. Ich mag es, Angriffsfußball zu spielen. Wir spielen im Nationalteam hohes Pressing – das liebe ich. Ich finde es auch gut, dass wir zwischendurch auf Systeme wechseln, bei denen wir defensiv kompakt stehen.

Nina Burger (29) aus Hausleiten in Niederösterreich hat in 87 Teameinsätzen (Rekord) 47-mal getroffen. Die Stürmerin erzielte damit mehr Tore als Toni Polster, der mit 44 Treffern den Rekord bei den Männern hält. Burger spielt seit 2015 für den SC Sand in der deutschen Bundesliga.
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STANDARD: Erstmals werden die Spiele des ÖFB-Frauenteams in ORF 1 übertragen – erhöht das den Druck?

Burger: Für mich nicht. Ich denke auch für die anderen Spielerinnen nicht. Es ist schön, dass ORF 1 überträgt. Im Spiel oder vor dem Spiel denkt man aber nicht daran.

STANDARD: Die Medienaufmerksamkeit war generell in den vergangenen Wochen viel größer als gewohnt. Wie gehen Sie damit um?

Burger: Wir haben gewusst, was auf uns zukommt. Wir haben uns zusammengesetzt, teilweise auch mit unserer Sportpsychologin, damit wir wissen, wie wir damit umgehen sollen. Das hat gut funktioniert und funktioniert auch jetzt gut. Es wird uns nicht zu viel. Es ist ein Nebengeräusch, das uns nicht zu sehr Druck macht. Auch nicht den jungen Spielerinnen.

STANDARD: Sie sind die Älteste unter den Stammspielerinnen – kommt Ihnen deshalb eine spezielle Rolle im Team zu?

Burger: Ich habe schon eine Art Führungsrolle – die nehme ich auch gerne an. Jede Spielerin soll Verantwortung übernehmen, aber man kann nicht von einer jungen Spielerin erwarten, dass sie so viel Verantwortung übernimmt wie eine erfahrene. Wir versuchen, für die weniger erfahrenen Spielerinnen da zu sein.

STANDARD: Man hört immer wieder, dass der Teamgeist besonders gut ist. Wird nie gestritten?

Burger: Ich könnte mich echt nicht erinnern, wann zuletzt gestritten wurde. Es herrscht eine super Stimmung. Streitereien gibt es nicht.

STANDARD: Und in dieses Teamgefüge fügen sich auch neue Spielerinnen gut ein?

Burger: Trainer Dominik Thalhammer schaut, glaube ich, auch darauf, dass die Spielerinnen vom Charakter her dazupassen. Es gibt keine, die negative Stimmung reinbringt.

STANDARD: Die Gefahr eines Lagerkollers besteht in den Niederlanden also nicht?

Burger: Würde ich nicht sagen. In unserem Basecamp in Wageningen ist das gut organisiert. Wir können uns in die Einzelzimmer zurückziehen. In der Player's Lounge setzen wir uns meistens nach dem Abendessen zusammen. Lagerkoller gibt es nur, wenn man Sachen nicht ausspricht, die einen stören. Wir haben im Vorhinein gesagt, dass wir alles immer offen ansprechen wollen. Zum Beispiel sind hier die Türen laut, wenn man sie zufallen lässt. Deswegen habe ich gesagt, es wäre super, wenn man die Türen leise schließt.

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STANDARD: Wenn ich zehn Leute auf der Straße fragen würde: "Kennen Sie Nina Burger?" Wie viele würden mit Ja antworten?

Burger: Ein bis zwei. Mehr sind es wahrscheinlich nicht.

STANDARD: Und wie viele würden in zwei Wochen mit Ja antworten?

Burger: Ich würde sagen: drei. Es kommt natürlich darauf an, wie weit wir kommen und ob ich Tore schieße.

STANDARD: Sie haben lange Zeit in Österreich, bei Neulengbach, gespielt. Was hat Sie letztlich zu einem Wechsel nach Deutschland bewogen?

Burger: Der Hauptgrund war, dass ich mich für die Europameisterschaft weiterentwickeln wollte. In Österreich hätte ich das meiner Meinung nach nicht erreicht. Deswegen wollte ich ins Ausland, am liebsten nach Deutschland.

STANDARD: Und inwieweit haben Sie sich in Deutschland weiterentwickelt?

Burger: Ich würde sagen, ich habe den richtigen Schritt gemacht. Ich glaube, dass ich mich hinsichtlich Kondition und Fitness weiterentwickelt habe. Als Profispielerin habe ich in Deutschland mehr Zeit, auch zusätzlich zu den Vereinstrainings zu trainieren. Auch im technischen Bereich habe ich mich verbessert. Wenn man jeden Tag zwei Trainings hat, dann bringt das natürlich was.

STANDARD: Um wie viel mehr Trainings haben Sie beim SC Sand als davor bei Neulengbach?

Burger: In Neulengbach haben wir viermal pro Woche trainiert, jetzt bei Sand haben wir sechs bis sieben Trainings pro Woche.

STANDARD: Sie haben in der vergangenen Saison sieben Tore für den SC Sand erzielt, waren im Cupfinale – zufrieden mit der Saison?

Burger: In der Liga waren wir Achter – da wäre nicht viel mehr möglich gewesen. Im Cupfinale haben wir leider knapp verloren. Für den Verein war es eine super Saison. Ich habe jedes Spiel gespielt, viele Tore erzielt. Es geht immer ein bisschen mehr. Hundertprozentig zufrieden bin ich nicht.

STANDARD: Die Europameisterschaft war das große Ziel. Wie geht es bei Ihnen danach weiter?

Burger: Ich habe beim SC Sand um ein Jahr verlängert, um mir offenzuhalten, was ich nach der Europameisterschaft machen werde. Jetzt konzentriere ich mich auf die EURO, dann werde ich entscheiden, wie ich mit dem Nationalteam weitermache.

STANDARD: Sie sind von Beruf eigentlich Polizistin. Könnten Sie jederzeit in den Job zurückkehren?

Burger: Ich bin bis Sommer 2018 bei der Polizei freigestellt. Wenn ich zurückkomme, werde ich wahrscheinlich eine Schulung machen müssen.

STANDARD: Wer wird Europameister?

Burger: Ich würde sagen: Deutschland. Die haben die ausgewogenste Mannschaft. Aber so eindeutig wie früher ist es nicht mehr. (Birgit Riezinger, 17.7.2017)