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Die polnischen Abgeordneten versammelten sich am Dienstag zur ersten Lesung des umstrittenen Gesetzes bezüglich des Obersten Gerichts.

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Präsident Duda stoppt die umstrittene Justizreform.

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Warschau/Wien – Polens Präsident Andrzej Duda hat am Dienstag gedroht, ein von der Regierung geplantes Gesetz zur Neuordnung des Obersten Gerichts nicht zu unterschreiben, sollte dieses das Parlament passieren. Das Gesetz wirke in der jetzigen Form "wie ein politisches Diktat" bei der Richterbesetzung, kritisierte Duda im Fernsehen.

Konkret fordert Duda, die nötige Parlamentsmehrheit für die Ernennung jenes Gremiums zu erhöhen, das künftig die Richter auswählen soll. Damit würde der Einfluss der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), aus deren Reihen auch Duda kommt, eingeschränkt werden.

Bereits am Morgen hatten Oppositionsabgeordnete "Schande" und "Sauerei" gerufen, als das umstrittene Gesetz auf die Tagesordnung kam. Der Entwurf ist Teil eines Maßnahmenpakets, mit dem sich die PiS nach Ansicht von Kritikern Zugriff auf die Justiz sichern will.

Konkret geht es dabei um das Vorhaben, alle Richter des Tribunals mit Inkrafttreten der Novelle in den Ruhestand zu versetzen. Über Ausnahmen sowie über die Neubesetzung der freiwerdenden Stellen sollte ursprünglich der Justizminister entscheiden. Das Vorhaben hatte für heftige Diskussionen und für Kritik gesorgt.

Dudas Kompromissvorschlag

Als Kompromiss schlug Duda vor, die Mitglieder des Landesrichterrats künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament wählen zu lassen. Damit wäre die PiS für ihre Personalvorschläge auch auf Stimmen anderer Parteien angewiesen.

Laut Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP vom Dienstag hatte der stell vertretende Justizminister Marcin Warchoł Änderungen des Entwurfs angekündigt. Man wolle den "Bedenken entgegentreten" und die Entscheidung über die Richterposten am Obersten Gericht nun doch dem Landesjustizrat überlassen, der auch für die Auswahl anderer Richter zuständig ist.

Der Haken an der Sache: Die Zusammensetzung eben jenes Landesjustizrats war erst vergangene Woche Gegenstand einer anderen Gesetzesinitiative der Regierung, die ebenfalls Anlass zur Sorge um die Gewaltenteilung in Polen gab: Das Parlament, in dem die Regierungspartei über eine absolute Mehrheit verfügt, hatte sich dabei das Recht eingeräumt, über einen großen Teil der Mitglieder in dem wich tigen Gremium selbst zu entscheiden.

Kritik auch aus dem Ausland

Beides zusammen – die Reform des Landesjustizrats und die des Obersten Gerichts – stellt einen weiteren Höhepunkt im langwierigen Streit um Polens Gerichtsbarkeit dar. Seinen Anfang nahm dieser bereits im Vorjahr, als die Regierung Reformen bei Besetzung und Funktionsweise des Verfassungsgerichts durchsetzte. Unter anderem hatte sich Warschau dadurch ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU eingehandelt, das bisher allerdings weitgehend ergebnislos blieb.

Gegen die aktuelle Justizreform hatten am Wochenende in Warschau und anderen großen Städten tausende Menschen demons triert. Auch aus dem Ausland hagelt es Kritik an den Vorhaben der PiS-Regierung. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, die polnische Regierung missachte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. "Die Zeit des Dialogs neigt sich dem Ende zu, meines Erachtens", erklärte Asselborn.

Bereits am Montag hatten die Vorsitzenden von fünf großen Fraktionen des Europäischen Parlaments zum Widerstand gegen die Maßnahmen der Regierung im Justizbereich aufgerufen. (Gerald Schubert, 18.7.2017)