Bild nicht mehr verfügbar.

Außenminister Gabriel unterbrach wegen der Türkei-Krise seinen Urlaub und kehrte nach Berlin zurück.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Berlin/Ankara – Außenminister Sigmar Gabriel hat einen schärferen Kurs Deutschlands gegenüber der Türkei angekündigt. Unter anderem werden die Reisehinweise des Außenministeriums, die bisher auf Gefahren für einzelne Personengruppen beim Besuch der Türkei aufmerksam machten, auf alle Deutschen ausgeweitet.

Jeder Deutsche könne in der Türkei unter den Verdacht der Unterstützung von Terrororganisationen geraten, so Gabriel. "Völlig unbescholtene deutsche Staatsbürger können davon erfasst werden." Reisenden in der Türkei werde zudem empfohlen, sich bei der Botschaft oder bei Konsulaten registrieren zu lassen.

Die deutsche Regierung sieht laut Gabriel zudem nicht mehr, wie sie Investitionen deutscher Unternehmen in der Türkei garantieren könne. Die Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte, eine Form der Exportkreditversicherung, müssten überprüft werden, sagte er am Donnerstag. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die EU-Verhandlungen mit der Türkei über eine Zollunion ausgeweitet werden.

"Rückkehr zu europäischen Werten" gefordert

Diese Eskalation der diplomatischen Krise zwischen den beiden Nato-Verbündeten folgt auf die Verhängung der Untersuchungshaft über sechs Menschenrechtsaktivisten in Istanbul am Dienstag. Auch der Berliner Peter Steudtner und ein Schwede befinden sich unter den Inhaftierten. Insgesamt wurden seit dem Putschversuch vor einem Jahr 22 Deutsche in der Türkei festgenommen, so Gabriel. "Wir erwarten eine Rückkehr zu europäischen Werten", forderte er. Als ersten Schritt erwarte sich Deutschland konsularischen Kontakt zu den Inhaftierten, auch zum Journalisten Deniz Yücel.

Die Verschärfung der Gangart betrachtet der Außenminister, der sich zuvor mit SPD-Chef Martin Schulz und Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel akkordiert hat, als alternativlos: "Wir können gar nicht anders." Auf die jüngsten Eskalationen habe die deutsche Regierung wieder und wieder besonnen reagiert und gehofft, dass auf türkischer Seite die Vernunft zurückkehren werde. Wieder und wieder sei man aber enttäuscht worden.

Wegen der Verhaftung des Menschenrechtsaktivisten Steudtner hatte das deutsche Außenministerium am Mittwoch den türkischen Botschafter in Berlin ins Ministerium zitiert. Es sei notwendig, dass die türkische Regierung die "glasklaren Ansagen" der deutschen Regierung "ohne Umwege" und "unmissverständlich" erhalte, sagte Ministeriumssprecher Martin Schäfer.

Österreich zieht nach

Am Donnerstag hat auch Österreich seine Reisehinweise für die Türkei angepasst. Das Außenamt in Wien behalte es sich vor, die Sicherheitsstufe zu erhöhen, von einer Verschärfung sei derzeit jedenfalls nicht die Rede, teilte ein Sprecher des Außenministeriums mit.

Die aktuelle Version weist – ähnlich wie in Deutschland – etwa darauf hin, dass österreichische Vertretungsbehörden in der Türkei bei Festnahmen österreichischer Staatsangehöriger nicht immer rechtzeitig informiert würden. Auch der Zugang zu konsularischer Betreuung könne nicht sichergestellt werden, heißt in dem am Donnerstag aktualisierten Hinweis. Das Außenamt empfiehlt Türkei-Reisenden, sich bei der Botschaft oder den Konsulaten registrieren zu lassen. Zudem wolle man die Sicherheitssituation "nicht über einen Kamm scheren". So würden unterschiedliche Sicherheitsstufen in verschiedenen Gebieten in der Türkei festgelegt. Demnach bestehe eine Reisewarnung für die syrische Grenze sowie ein hohes Sicherheitsrisiko in Antalya.

Türkei: "Unangemessen und unannehmbar"

Die Türkei hat die Reaktion der deutschen Regierung als unangemessen und unannehmbar zurückgewiesen. Die Äußerungen von Außenminister Gabriel seien unglücklich und innenpolitisch motiviert, sagte der Sprecher des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Ankara.

Deutschland müsse sich rational verhalten. Erklärungen über Wirtschaftsmaßnahmen, die auf politischen Motiven basierten, seien unannehmbar, Sicherheitsbedenken für Reisen in die Türkei unbegründet. "Wir hoffen, dass sie Abstand davon nehmen", sagte Kalin. Die Türkei habe gute Beziehungen zu Deutschland und wolle diese beibehalten. (flon, APA, 20.7.2017)