"Gründer im Journalismus unterschätzen nicht selten ihre komplexe Doppelrolle: Anders als in einer redaktionellen Festanstellung sind sie nicht mehr nur Journalisten, sondern zugleich Medienmanager", sagt Körber-Preisträger Christopher Buschow.

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"Ohne Journalismus keine Demokratie": Der Leitspruch des Schweizer Medien-Start-ups republik.ch.

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Buzzfeed in den USA, Mediapart in Frankreich, Project R in der Schweiz: Mit journalistischen Start-ups, die jenseits der etablierten Medienstrukturen entstehen, werden große Hoffnungen verbunden – insbesondere weil klassische Massenmedien immer weniger Leser erreichen und Werbeeinnahmen einbüßen. Doch: Retten diese Neugründungen den Journalismus, etwa durch zukunftsorientierte Geschäftsideen oder innovative Finanzierungsquellen?

Eine aktuelle Studie, die 15 Medien-Start-ups untersucht hat, gelangt überwiegend zu ernüchternden Ergebnissen. Obwohl Unternehmer und Gründer im Journalismus mit viel Optimismus, tatkräftigem Elan und verantwortungsbewussten Absichten starten, tragen sie – zumindest im deutschsprachigen Raum – kaum zu seiner Erneuerung bei. Das hat mehrere Gründe:

  • Neue Medienunternehmen entstehen vorwiegend aus einer "Macher-Perspektive", die seltener als erwartet auf Innovationen setzt, vielmehr journalistische Berufsstandards in digitale Medienumgebungen übertragen will. Gründer konzentrieren sich auf die Produktion von qualitätsvollen Inhalten, wie sie sie in den von Kostensenkungen gebeutelten Redaktionen zunehmend seltener vorfinden. Gewinnerzielungsabsichten, Wachstumsambitionen oder eine ertragreiche Unternehmensveräußerung spielen – im Gegensatz zu anderen Online-Branchen – im Journalismus nur eine nachgeordnete Rolle.
  • Weil sie sich mitunter an alten Traditionen orientieren, kopieren manche Neueinsteiger das Erlösmodell der Tageszeitung. So geraten sie jedoch in dieselben Probleme wie etablierte Medienhäuser: Aufseiten der Leser besteht kaum Zahlungsbereitschaft für Online-Inhalte, Anzeigenkunden platzieren ihre Werbung nur noch zurückhaltend in journalistischen Umfeldern. Neue Erlösquellen werden verstärkt dort erschlossen, wo Neugründungen Nischenthemen besetzen und mit ihren Inhalten spezifische Communitys – seien es passionierte Motorradfahrer oder karriereorientierte "Millennials" – erreichen. Gemeinsam mit ihren Nutzern probieren diese Gründungen neue Finanzierungsquellen aus, etwa E-Commerce, Beratungsangebote oder Schulungen. Wer sich dagegen auf allgemeine gesellschaftliche oder politische Themen konzentriert, hat es schwer. Die Studie zeigt: Je mehr sich die Berichterstattung eines Medien-Start-ups an die Gesamtgesellschaft richtet, desto schwerer fällt das Geldverdienen.
  • Innovation und neue Lösungen entstehen potenziell dort, wo Menschen mit verschiedenen Hintergründen zusammenkommen. Die Gründerteams deutscher Medien-Start-ups sind im Moment noch zu homogen besetzt: Viele Gründer haben klassisch Karriere gemacht – Journalistenschule, Volontariat, Festanstellung bei Zeitungen oder im Rundfunk. Sie sind keine Exoten oder Quereinsteiger, die neue Handlungs- oder Denkweisen in den Journalismus tragen würden. Anders positioniert sich aktuell das Schweizer Project R: Hier hat sich ein Team um branchenerfahrene Betriebswirte, Journalisten, Techniker und Start-up-Gründer formiert, das Herausforderungen in der Gründung mit komplementären Fähigkeiten geschickter angehen will.
  • Gründer im Journalismus unterschätzen nicht selten ihre komplexe Doppelrolle: Anders als in einer redaktionellen Festanstellung sind sie nicht mehr nur Journalisten, sondern zugleich Medienmanager. So werden traditionell eigentlich unvereinbare Aufgaben – die Moderation journalistischer wie auch wirtschaftlicher Prozesse – parallel übernommen, die noch dazu zueinander in Konkurrenz geraten können. Schlussendlich wird kein unwesentlicher Teil der Arbeitszeit durch bürokratische Verwaltungsaufgaben gebunden – tragischerweise gerade dann, wenn gemeinnützige Gesellschaftsformen wie Vereine und Genossenschaften gegründet werden.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Start-ups – entgegen manchen Erwartungen – kein Allheilmittel für die Probleme des professionellen Journalismus sein werden. Wie das Beispiel des Schweizer Project R zeigt, lässt sich jedoch aus Erfolgen und Fehlern lernen.

Stellenweise gilt es zudem, die Rahmenbedingungen neu zu justieren: mehr und clevere Anschubfinanzierung für journalistische Experimente, eine stärkere Sensibilisierung für Unternehmertum in der Journalistenausbildung, ein Abbau von Bürokratie- und Verwaltungsaufwand. So können Medien-Start-ups vielleicht doch zu Triebfedern in der Neuerfindung des Journalismus werden. (Christopher Buschow, 24.7.2017)