Wie soll sich das ausgehen? Wenn Sebastian Kurz fortfährt, seine Personalerfindungen nach der Methode der chinesischen Tropfenfolter als wöchentliche Einzelportionen ins Wählerbewusstsein zu träufeln, wird er bei den vielen Quereinsteigern, die er noch auf Lager hat, bis zum Termin der Listenpräsentation nie fertig. Die ersten ernten noch den Ruhm öffentlicher Aufmerksamkeit, den Rest erwartet Massenabfertigung – irgendwie ungerecht, wo sie doch alle nichts als parteiunabhängig sind.

Diesmal hat er sich also für seine Bundesliste die Sphäre des hiesigen Nationalheiligtums Opernball erschlossen. Leider sind die Wahlen längst vorbei, bis die Besucher des Künstlerballes von einer ÖVP-Abgeordneten empfangen werden, aber Richard Lugner wird sich vor Begeisterung überkugeln. Zwar haben die Neos, wie schon mit Irmgard Griss, wieder in die Suppe gespuckt, konnten sie doch mit der unvergesslichen Lotte Tobisch kontern. War es angst um ihr Erbe, die dem "Original" ein spontanes Bekenntnis zu den Neos abnötigte?

Noch schlimmer ist eine Umfrage der Kronen Zeitung, sonst immer für Lobeshymnen auf den aktuellen Strahlemann gut, wonach 62 Prozent der Leser die Einholung der "Opernball-Lady" für einen schlechten Schachzug halten. Sie wäre vermutlich besser ausgefallen, hätte Kurz aus dem Reservoir des Life Balls geschöpft. Man muss eben erkennen, in welche Richtung der Zug der Zeit fährt. Sollte er nicht doch noch abspringen, führt er uns nächste Woche vielleicht eine Kandidatin aus der Arena der Spanischen Reitschule, eines anderen Nationalheiligtums, vor. Wenn ein gewisser Caligula, nachdem er den römischen Senat für seine Zwecke zurechtgestutzt hatte wie Kurz die Österreichische Volkspartei, sein Pferd zum Konsul machen wollte, sollte sich doch im Lipizzanermilieu das Passende für einen ÖVP-Parlamentsklub neu finden lassen. Es muss ja kein Pferd sein. Hauptsache, parteifrei, aber mit Stallgeruch, gut für Kapriolen, aber nur an der Longe. Strolz müsste sich dann wohl um eine angemessene Antwort in Schönbrunn umsehen – Tiergarten.

Das sommerliche Kandidatentheater hat natürlich vor allem den Zweck, von der inhaltlichen Leere eines Kanzlerkandidaten abzulenken, der angeblich alles ganz anders machen will, und von der geschniegelten Inhumanität, mit der hinter dieser Kulisse das Schicksal zehntausender verzweifelter Menschen als Spielmaterial in einem nicht aus sachlichen, bloß aus taktischen Gründen vom Zaun gebrochenen Wahlkampf herhalten muss. Dafür müssen Beamte des von Kurz geleiteten Ressorts eine Studie so zurechtbiegen, dass sie zu den Ministerphrasen passt, wobei man sich überhaupt fragt, was aus einem Außenministerium geworden ist, in dem ein Bruno Kreisky, ein Rudolf Kirchschläger, ein Alois Mock einst Österreichs Ansehen in der Welt vermehrten, während nun Kopfschütteln und Verärgerung im Ausland ungeniert in Kauf genommen, ja provoziert wird, weil sich der Ressortchef (und übrigens nicht nur er) innenpolitisch zu profilieren hofft. Immerhin, ein Viktor Orbán findet seine Linie gut. Und wer für Kurz kandidiert, nimmt das gerne in Kauf. (Günter Traxler, 20.7.2017)