20 Hektar täglich verbetoniert in Österreich – für Kurt Weinberger kaum erträglich.

Foto: salfinger

"Bei mir hat sich im Laufe der letzten Jahre eine besondere Sensibilität für den Erhalt der Umwelt ausgebildet. Das hängt damit zusammen, dass mich die massiven Natureingriffe privat und beruflich ständig begleiten. Diese Zerstörung, die ich beobachten muss, hat dazu geführt, dass wir als Naturkatastrophenversicherer bei Themen wie Klimaschutz und Bodenverbrauch die öffentliche Aufmerksamkeit suchen.

Ich bin in Lambach in Oberösterreich aufgewachsen, auf einem Bauernhof. Die Landschaft dort war früher wunderschön. Mittlerweile ist diese Gegend fast unbewohnbar geworden. Waldflächen wurden großflächig gerodet, und heute stehen dort tausende Lkws, die täglich über Landstraßen zu den Autobahnen fahren. Sogar eine Umfahrung musste gebaut werden. Ich sehe es so, dass diese schöne Gegend aufgrund von raumordnerischen Fehlentscheidungen vor 25 Jahren für immer zerstört wurde.

Bildungsaufstieg Dank Kreisky

Wir waren fünf Kinder, es musste auf vieles verzichtet werden, damit alle eine gute Ausbildung erhalten konnten. Ich ging auf das Benediktiner-Gymnasium. Dann das Studium an der Bodenkultur in Wien und dann Rechtswissenschaften in Linz. Dass ich studieren konnte, verdanke ich der Familie, den Benediktinerinnen, aber auch Bruno Kreisky, der Stipendien eingeführt hat. Freier Bildungszugang auch für Kinder, deren Eltern ein geringes Einkommen haben, das ist ein humanistisches Ziel, von dem ich sehr profitiert habe und das ich deshalb befürworte. Im Gymnasium waren meine Lieblingsfächer Philosophie und Latein. Ich habe eine humanistische Bildung erhalten, und das prägt. Egal an welcher Stelle man steht: Man muss vor anderen Menschen Achtung haben und jedem seine Persönlichkeitsentfaltung ermöglichen.

Die Arbeit, die ich mit einem Engagement für eine bessere Umwelt verknüpfe, macht mir sehr große Freude. Berufsbedingt verfolge ich den Klimawandel seit vielen Jahren. Die Landwirtschaft ist das erste Klimaopfer, denn sie hat ihre Werkstatt quasi unter freiem Himmel. Seinerzeit waren wir eine reine Hagelversicherung, wie der Name sagt, und jetzt müssen wir so viele andere Naturkatastrophen auch abdecken, die alle mit dem Klimawandel und unserem Bodenverbrauch zusammenhängen. Wetterextreme wie Dürren oder Überschwemmungen nehmen dramatisch zu.

Dadurch wird das Geschäftsmodell der Hagelversicherung immer komplizierter. Österreich ist für uns ein schrumpfender Markt. Der Bodenverbrauch hier hat so zugenommen, dass der Risikoausgleich für uns zu klein wäre. Mehr als die Hälfte der versicherten Fläche kommt deshalb aus Osteuropa.

Täglich 20 Hektar verbaut

Denn man muss sich das vorstellen: Wir verbauen täglich 20 Hektar landwirtschaftlicher Böden in Österreich. Das sind 30 Fußballfelder! Wir verlieren also die enorme Fläche eines durchschnittlichen Bauernhofes täglich. Die verschwindet unter Betonflächen für Straßen, Parkplätze, Einkaufszentren.

Für mich ist diese Bodenverschwendung die derzeit bedrückendste Umweltproblematik in Österreich, noch vor dem Klimawandel. Es wäre notwendig, dass mit einer intelligenten Raumentwicklung diese Zerstörung gebremst wird. Kein Land in der Welt geht so sorglos mit seinem Lebensraum um. Und der landwirtschaftliche Boden ist unsere Lebensgrundlage. Das ist wie die Haut eines Menschen. Wenn der zu wenig Haut hat, stirbt er.

Natürlich gefährdet das auch unsere regionale Lebensmittelversorgung. Jeder Österreicher bräuchte 3000 Quadratmeter Ackerfläche, wir haben aber nur mehr 1400 pro Kopf! Die Hälfte ist bereits zubetoniert. Wir beschwören mit unserem Handeln massive Umweltschäden herauf, und dabei sagen wir, wir sind ein Tourismusland.

Das versuche ich halt begreifbar zu machen, worum es meiner Meinung nach geht. Ein bisschen Bewusstseinsbildung ist so schon möglich. Das ist die glückliche Seite meines Berufs. Wir haben den Österreichischen Klimaschutzpreis initiiert. Kürzlich haben wir uns diese Zahlen zum Bodenverbrauch durch eine Studie des Instituts für Höhere Studien untermauern lassen.

Aber wirklich getan wird in Österreich in dieser Sache faktisch nichts. Klimaschutz ist in Österreich fast niemandem ein wirkliches Anliegen. Meiner Meinung nach leidet à la longue die Glaubwürdigkeit der Politik, wenn bei solch drängenden Problemen so wenig gemacht wird." (Johanna Ruzicka, 23.7.2017)