In Jerusalem folgten den Unruhen vom Freitag auch am Wochenende Zusammenstöße. In der Siedlung Halamisch ermordete ein palästinensischer Terrorist Samstag eine Familie.

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Nach blutigen Zusammenstößen am Freitag war die Lage in Jerusalem am Wochenende deutlich ruhiger. Aber der Streit um Sicherheitskontrollen an den Zugängen zum Tempelberg schwelte weiter. Am Samstagabend kam es wieder zu Krawallen, als junge Palästinenser nach Gebeten auf den Straßen im Umfeld der Altstadt Polizisten mit Wurfgegenständen attackierten und die Polizei laut knallende Schreckgranaten einsetzte, um die Menge zu zerstreuen. In Israel herrschte Entsetzen über den Terrorüberfall in der Siedlung Halamisch im Westjordanland, bei dem Freitagabend drei Mitglieder einer Familie ermordet wurden.

Der Angreifer, ein 19-jähriger Palästinenser aus einem nahegelegenen Dorf, war mit einem großen Messer in das Haus der Familie Salomon eingedrungen, die beim Schabbat-Mahl saß. Im Wohnzimmer und in der Küche erstach er den 70-jährigen Großvater, dessen 46-jährige Tochter und den 36-jährigen Sohn. Die 68-jährige Großmutter wurde schwer verletzt, die anwesenden kleinen Kinder konnten mit ihrer Mutter in ein Obergeschoß flüchten.

Nach langen Minuten gelang es einem Nachbarn, den Palästinenser durch ein Fenster niederzuschießen. Israelische Medien sprachen von einem "Massaker", und rechtsgerichtete Politiker forderten die Todesstrafe für den Terroristen, der schwerverletzt überlebt hat. "Das scharfe Messer in meiner Hand gehorcht dem Ruf von Al-Aksa", hatte er auf Facebook geschrieben, wo er seine Tat mit den jüngsten Vorgängen um den Tempelberg begründete.

Die Unruhen schienen wieder dem Muster zu folgen, wie es sich über die vorige Woche bis zum Freitag herausgebildet hatte: Ruhe während des Tages, gefolgt von relativ begrenzten Zusammenstößen an verschiedenen Brennpunkten nach dem muslimischen Abendgebet. Auch am Freitag, an dem unter ungeklärten Umständen drei junge Palästinenser getötet wurden, hatten sich insgesamt nur einige Tausend Männer an den Konfrontationen beteiligt.

Drohungen aus Ramallah

Nach wie vor sahen aber alle Beteiligten das Potenzial zu einer gefährlichen Eskalation. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Freitag "die Einstellung aller Kontakte mit der Besatzung" verkündet und verlangt, dass Israel "den Status quo bei der Al-Aksa-Moschee bewahrt". In der Vergangenheit hatte Abbas schon öfter damit gedroht, die Sicherheitskooperation mit Israel zu beenden. Nach allgemeiner Auffassung würde er aber damit sein eigenes Regime gefährden, das mit der radikalislamischen Hamas verfeindet ist. Die Zusammenarbeit mit Israel sei "vor allem ein palästinensisches Interesse und erst danach ein israelisches Interesse", sagte der israelische Verbindungsoffizier Joav Mordechai.

Konkreter Streitpunkt waren nach wie vor die Metalldetektorren, die Israel an von Muslimen benützten Zugängen zum Tempelberg aufgestellt hatte, nachdem am vorletzten Freitag von dort ein Anschlag auf Polizisten ausgegangen war. Beim einzigen Zugang für Nichtmuslime steht von jeher ein Metalldetektor. Offiziell blieb Israel dabei, dass die Maschinen nicht entfernt werden. "Wenn ihr auf den Tempelberg wollt, dann geht durch die Sicherheitskontrollen", sagte Minister Zachi Hanegbi, "so wie ich vor drei Wochen in den Vatikan gegangen bin, so wie wir alle zur Klagemauer gehen, so wird es auch auf dem Tempelberg sein."

Gleichzeitig hieß es in Israel, man denke über "Alternativen" nach. Überwachungskameras wurden schon installiert. Der Mufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, schien jeden Kompromiss abzulehnen und verlangte eine Rückkehr zu dem Status, der bis vor zehn Tagen gegolten hatte. In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten muslimische Institutionen in Jerusalem "die Ablehnung der elektronischen Tore und aller Besatzungsmaßnahmen". (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 23.7.2017)