Johannes Hübner, hier als Anwalt von Heinz-Christian Strache im Jahr 2011, tritt nicht mehr bei der Nationalratswahl im Herbst an.

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Wien – FPÖ-Nationalratsabgeordneter Johannes Hübner wird bei der Wahl im Oktober nicht mehr antreten. Das gab Hübner Dienstagnachmittag bekannt, nachdem er sich tagelang zu den an ihn gerichteten Rücktrittsforderungen nicht geäußert hatte.

Er wolle seiner Partei nicht schaden, meinte Hübner, der seine Entscheidung im TV-Sender oe24.tv verkündete. Seine als antisemitisch aufgefassten Aussagen seien ein "dummer Fehler" gewesen. Obwohl er dafür von Vertretern unterschiedlichster politischer Richtungen scharf kritisiert worden war, behauptete er, hinter den Rücktrittsaufforderungen stecke eine "beinharte Zerstörungsstrategie". FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl akzeptiert Hübners Rückzug, bedauert ihn aber persönlich. Er kenne Hübner seit vielen Jahren als "ehrlichen, engagierten und äußerst gebildeten" Menschen.

Empörung über Aussagen

Vorige Woche hatte DER STANDARD berichtet, dass Hübner im Sommer 2016 vor einer Rechtsextremenversammlung in Thüringen eine Rede mit antisemitischen Anspielungen gehalten hatte. Er hatte den Schöpfer der österreichischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, als "Kohn" bezeichnet – und damit eine Bezeichnung aufgegriffen, die in den 1930er-Jahren von Nationalsozialisten verwendet wurde, um den Verfassungsjuristen jüdischer Abstammung auf antisemitische Weise verächtlich zu machen.

In derselben Rede unterstellte Hübner dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern zudem gute Kontakte zu Freimaurern: Dieser sei "Friedrich-Torberg-Preisträger der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, ist exzellentest vernetzt in der Logenszene". Zudem behauptete er, DER STANDARD würde in jedem Zeitungsbericht über die FPÖ den Nationalsozialismus erwähnen oder einen "sogenannten Holocaustüberlebenden" zu Wort kommen lassen.

Rücktrittsaufforderungen

Die Aussagen sorgten prompt für massive Kritik aus den anderen Parteien. "Diese Mischung aus Antisemitismus und Verfolgungswahn ist absolut jenseitig und völlig inakzeptabel", meinte Kanzler Kern. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich entsetzt: "Mit Antisemitismus zu spielen, von dem jeder wissen muss, wohin er geführt hat, ist in höchstem Maße verantwortungslos."

Zuletzt drohten einige hochrangige Vertreter aus SPÖ und ÖVP auch damit, dass die FPÖ nicht als Koalitionspartner infrage komme, wenn keine Konsequenzen gezogen würden. ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger sagte im STANDARD-Interview, eine Koalition mit einer FPÖ, in der Hübner eine Funktion innehabe, sei "absolut nicht vorstellbar". Ähnlich äußerte sich auch SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil.

Experte: Problem nicht gelöst

Selbst nach dem Rückzug Hübners sei in puncto Antisemitismus ein grundlegendes Problem in der FPÖ noch nicht gelöst, meint Politikwissenschafter und Burschenschaften-Experte Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): "Antisemitismus war immer der Zwillingsbruder des deutschen Nationalismus", sagt Weidinger, der Judenhass habe die Ideologie der deutschnationalen Burschenschaften "von der Wiege an begleitet".

Seitdem Heinz-Christian Strache die Führung der FPÖ übernommen hat, sei der Einfluss ebendieser deutschnationalen Burschenschafter aber "so stark wie nie zuvor". Mehr als die Hälfte der Mitglieder des FPÖ-Bundesparteivorstandes seien Korporierte, auch im Nationalratsklub sei der Anteil der Burschenschafter größer als unter Jörg Haider.

Doch auch abseits der Burschenschaften sei die Abgrenzung der FPÖ zum Antisemitismus stets unsauber gewesen. So pflege sie enge Verbindungen zum Magazin "Aula", das, so Weidinger, "fast in jeder Ausgabe expliziten Antisemitismus verbreitet".

Einzug wäre fix gewesen

Hübner hätte eigentlich fix mit einem Wiedereinzug in den Nationalrat bei der Wahl am 15. Oktober rechnen können: Die Wiener Landespartei hatte ihm den Spitzenplatz im Wahlkreis Wien-Südwest zugesichert, wo die Blauen zuletzt ein Grundmandat erreicht hatten. Auch der FPÖ-Bundesparteivorstand hatte die Listen bereits abgesegnet, sich aber noch geringfügige Änderungen vorbehalten. Wer auf diesen Platz nachrücken wird, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.

Auch nach seinem Rückzug könnte Hübners Auftritt vor den Thüringer Rechtsextremen zu weiteren Konsequenzen führen. Der Wiener hat als Rechtsanwalt auch disziplinarrechtliche Folgen zu befürchten. Er war nach Veröffentlichung seiner Aussagen bei der Rechtsanwaltskammer Wien angezeigt worden. (Maria Sterkl, 25.7.2017)