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Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, befürchtet schwere Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz in Polen.

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In Polen wird seit Tagen gegen die Pläne der Regierung protestiert.

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Brüssel – Die EU-Kommission hat Polen angesichts der "schweren negativen Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz" eine Einmonatsfrist zur Behebung gegeben. Die Drohung mit Artikel 7 – also dem Stimmrechtsentzug – bleibe aufrecht, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am Mittwoch.

Die Kommission habe ihre rechtliche Analyse abgeschlossen. Es sei zwar zu begrüßen, dass der polnische Präsident gegen zwei der vier Gesetze zur Justizreform sein Veto eingelegt habe. Trotzdem habe man eine dritte Empfehlung an Warschau geschickt. Er wolle nicht alle Details durchbesprechen, doch hoffe er auf einen konstruktiven Dialog, so Timmermans: "Jeder polnische Bürger hat das Recht auf einen unabhängigen Richter, der nicht aufgrund des Anrufs eines Ministers oder einer Partei entscheidet."

Kritik an Zwangspensionierungen

Timmermans kritisiert vor allem die Zwangspensionierung von Richtern. "Wenn das der Fall ist, kann der Artikel 7 sofort ausgelöst werden." Auch das unterschiedliche Pensionsalter von Frauen und Männern im Justizbereich verstoße gegen den EU-Vertrag. Die Kommission habe grundsätzlich "nichts dagegen, wenn ein Land sein Justizsystem reformiert. Aber das muss zumindest unter Einhaltung der polnischen Verfassung und der internationalen Verpflichtungen geschehen."

Keine Spielchen

Dass es ein gemeinsames Artikel-7-Verfahren mit Ungarn geben könnte, nennt Timmermans "völligen Blödsinn". Er würde "nie solche Spielchen spielen, dass man Länder zusammenwirft. Die werden einzeln behandelt und nicht im Wettbewerb miteinander. Das ist ein Blödsinn, das Gerücht. Es gibt viele dumme Gerüchte. Gut, dass Sie diese Frage gestellt haben, dann kann das geklärt werden."

Polen wirft EU "Erpressung" vor

Der stellvertretende Außenminister Polens, Konrad Szymanski, wies am Mittwoch nachmittag die Zweifel der Europäischen Kommission am polnischen Justizsystem zurück. Die polnische Regierung hat Maßnahmen der EU-Kommission im Streit um die Justizreformen scharf kritisiert. "Wir werden Erpressung vonseiten EU-Beamter nicht akzeptieren", sagte Regierungssprecher Rafal Bochenek am Mittwoch.

"Alle Gesetzentwürfe, die von Polens Parlament vorbereitet werden, entsprechen der Verfassung und demokratischen Grundsätzen", verteidigte er die umstrittenen Justizreformen der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Das EU-Parlament hatte im Mai den EU-Rat aufgerufen, nach Artikel 7 des EU-Vertrags wegen rechtsstaatlicher Bedenken gegen Ungarn vorzugehen. Bei Polen hatte wiederum die EU-Kommission vor einer Woche angekündigt: "Wir stehen kurz davor, Artikel 7 auszulösen." Die Aktivierung des Artikels 7 sieht einen Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedsstaats bei "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vor. Er ist bisher noch nie zur Anwendung gekommen. (APA, 26.7.2017)