"Kannst mich flott zum Dings schupfen", fragt die Reißerische, "weißt eh, ich brauch nicht lang, und dort ist ja fast nie ein Parkplatz." Sie hat zwar an die fette Limousine vor der Tür als Shuttle gedacht, aber unter der Woche, bei herrlichem Wetter, wenn das Ziel – zugegeben mit nur einem kleinen Umweg – hinter einem Berg liegt, dann fährt man doch nicht mit dem Auto.

Foto: Honda

Erster Fehler: Sie hat fast unmerklich die Nase gerümpft, als sie merkte, dass das mit der Limousine nix wird, weil sie von dem Honda X-Adv nicht auf den ersten Blick überzeugt war. Zweiter Fehler – für die Umgehung der Bergetappe wählte sie den schlechtesten Grund, den man sich vorstellen kann, und sagte: "Direttissima, weil es pressiert. Die ham ja nicht ewig offen."

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Klar kann man keinem das Gefühl von "Mit an Roller werden wir uns schon nicht dersteßn" übelnehmen. Noch dazu, wenn unter der Sitzbank, mit 21 Litern, genug Stauraum wäre, dass man jede Woche einen fetten Blumenstrauß mit nach Hause bringt. Keine Sorge, der Drang steigt nicht wirklich an, wenn man den X-Adv fährt, es reicht einem zu wissen, dass man die Primeln führen könnte, wenn man wollte. Eher stopft man schnell einmal den Helm – ja, auch einen integralen – rein, wenn man gach was einkaufen geht, oder schupft das Packerl fürn Dings hinterm Berg hinein.

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Bis jetzt waren die Crossover-Versuche von Honda ja nicht gerade Herzensbrecher. Denken wir an den Vultus. Um Himmels willen. Oder den DN-01. Die Mischungen aus Cruiser und Scooter sind jetzt auch nicht das, was man einen Verkaufsschlager nennen würde – und ehrlich gestanden, ich weiß gar nicht, warum. Weil kommod fahren auf zwei Rädern nicht gefragt ist?

Jetzt geht man da natürlich schon mit einer gesunden Skepsis an den X-Adv. Ein Adventure-Motorrad, das ein Roller sein will, aber so hoch ist, dass ausnahmsweise auch ich, mit meinen rund 190 Zentimeter Höhe, gescheit sitzen kann, mit Doppelkupplungsgetriebe (DCT) und einer Form, die es so noch nie geben hat, weshalb man sie bestimmt gewöhnungsbedürftig nennen darf.

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Aber wenn du dann hinten draufsitzt und vorher gesagt hast, dass es pressiert, und der vor dir die Haxen einzieht und den rechten Griff zu drehen beginnt, dann fangen sich mit zunehmender Geschwindigkeit ein paar alte Thesen zu relativieren an. 55 PS aus einem 745 Kubikzentimeter großen Parallel-Twin klingen jetzt ja nicht böse. Sind sie auch nicht. Aber weil Honda das DCT für den Einsatz in der Stadt kürzer übersetzt hat, ist es dann doch gescheiter, wenn man sich vorne festhält, statt dass man sich hinten abstützt. Und wenn das Wummern im Helm auch nach dem Verstellen des Windschutzes – fünf Positionen, geht ganz leicht, ohne Werkzeug – nicht aufhört, dann kommt es vielleicht von hinten. Nicht so bei der Reißerischen. Die ist hart im Nehmen. Wenn sie nicht gerade hungrig ist. Ich merke, ich schweife ab.

Doppelkupplungsgetriebe DCT

Zwei Modi bietet das DCT. D, quasi normal, und S, quasi nicht mehr normal. In beiden Arten sortiert das Getriebe sauber die Gänge, wenn auch mit einem gewünschten großen Unterschied von niedertourig-sparsam-alltäglich zu kurzen Schaltzeiten und ausgedrehten Gängen im S-Modus. Zu zweit ist der D-Modus angenehmer, weil die Schaltvorgänge dann sanfter sind und für den Sozius nicht so überraschend kommen. Erstaunlich gut ist das Handling des X-Adv, was auch den kleinen Rädern geschuldet ist, die das Motorrad im X-Adv superwendig, den Roller im X-Adv sehr stabil machen.

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Beim Dings hinterm Berg gab es dann für den X-Adv einen schönen Parkplatz zwischen zwei Autos – ein Auto hätte man aber wirklich nirgendwo hinstellen können. Also aufatmen und druckzuck den Sattel auf, das Packerl raus, und die Frau Gemahl war auch schon mit dem Wort "Kumm glei" dahin. Zeit für uns, dass wir uns das Druckzuck anschauen. So nenne ich den Schalter, der dort ist, wo man für gewöhnlich den Schlüssel vermuten würde. Honda hat nicht nur beim Doppelkupplungsgetriebe zu den Autos geschielt, sondern auch beim schlüssellosen Starten. Dass das Ladevolumen ziemlich genau dem Norm-Spritverbrauch einer Dodge Viper SRT-10 entspricht, halte ich aber für reinen Zufall. Egal.

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Jedenfalls: Ist der Schlüssel in der Nähe, kann man den Schalter beim Lenker nach unten drücken, und entweder zum Öffnen von Sitzbank oder Tankdeckel nach links, oder zum Einschalten der Zündung und Deaktivieren der Wegfahrsperre nach rechts drehen. Das geht auch mit Handschuhen perfekt und der Schalter schaut auch noch recht erwachsen und stimmig designt aus. Fesch sind übrigens auch die beiden Protektoren an den Lenkerenden, die eigentlich aus dem Offroad-Sport kommen und vor Ästen schützen sollen, bei unseren Ausflügen aber eher zum Keratinsammeln herhalten mussten.

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Das Heimfahren war dann ein Kompromiss. Die Reißerische hatte es nicht mehr eilig, also fand ich, können wir über den Berg fahren – ich wollte aber nicht zu spät zu Hause sein, also ging ich es ein bisserl flotter an. Am X-Adv wird man übrigens von entgegenkommenden Motorradfahrern als einer der ihren wahrgenommen und vor der Radarpistole gewarnt, fällt mir gerade an. Und ich hab mir sagen lassen, dass der X-Adv bis 160 km/h schnell geht, wenn die Witterung passt, der Langhuber ausreichend Luft kriegt und die Kette einen guten Grip aufbauen mag.

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Schotterpassagen haben wir ausgelassen, auch wenn die Stoppelreifen da sicher mitgespielt hätten, aber in den Ortschaften ist es mir so vorgekommen als würde es mir kalt über den Rücken rinnen. Und auch wenn es, wie ich mir sagen habe lassen, nichts mit dem X-Adv zu tun hat, will ich das trotzdem schnell loswerden, dass zwei Tage später, die Reißerische dann selber gefahren ist, zum Dings, diesmal was abholen. Mit dem Auto. Dabei hätte alles locker unter die Sitzbank gepasst. Vielleicht war es, weil die Farbe vom S-Adv nicht perfekt zu ihren Schuhen gepasst hat. (Guido Gluschitsch, 27.7.2017)

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