Barb, wie sie ihrer Freundin mal wieder einiges zu bedenken gibt.

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Es ist ihr nur ein kurzer Auftritt gegönnt. Doch in den wenigen Szenen der Mystery-Serie "Stranger Things" beweist Barbara Holland Stil und Haltung. "Barb" (Shannon Purser) ist die beste Freundin von Nancy Weeler, der in US-amerikanischen Serien und Filmen obligatorischen College-Schönheit. Nancy ist zu Serienbeginn gerade im Begriff, den hiesigen Schulcoolen Steve für sich zu begeistern. Den Kragen seines Polohemds trägt er stets stramm senkrecht, seine Clique ist von moralisch zweifelhafter Verfasstheit und seine Absichten bei Nancy sowieso – wir kennen das, es ist ein beliebter Plot.

Barb bekommt in diesem die im Allgemeinen recht undankbare Rolle der weiblichen besten Freundin. Indem sie aber alle Klischees der "besten Freundin" selbst vorwegnimmt und deren Eigenschaften stolz ausagiert, trägt sie es mit maximaler Würde.

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Wie auch die Mode der 1980er-Jahre, in denen die Serie spielt. Zum Beispiel die an allen möglichen Stellen berüschten Blusen, deren untere Enden in bis zum Nabel geschnittenen, heute so genannten "Mum-Jeans" stecken. In diesem Outfit wirkt Barb wie viele Teenies dieser Zeit eher wie 60 denn 16, was auch bestens zu ihrem Charakter passt.

Freundinnen-Moralkodex

Denn kindisches Beleidigt- oder Passiv-aggressiv-Sein ist Barbs Sache nicht. Als Nancy ihr etwa ihre Schmusereien mit dem Ivy-League-Boy Steve gesteht, teilt ihr Barb mindestens so hyperreflektiert wie die 70-Jährigen im Körper von 14-Jährigen aus "Dawson's Creek" ihre Sorgen mit: Geradeheraus spricht Barb gegenüber der frischverliebten Nancy die nicht unbegründete Sorge aus, dass die erblühende Liebe Barb erst einmal aufs Abstellgleis verfrachten könnte. Soll ja schon vorgekommen sein – obwohl das weder nett noch klug ist, erwiesen sich doch laufend Freundschaften als weitaus beständiger als Liebesbeziehungen. Diesen "Sister geht vor Mister"-Moralkodex hat immerhin keine geringere Serie als "Sex and the City" gleich mehreren Generationen beigebracht.

Doch das war bekanntlich vor Barbs Zeit, und so muss ihr moralischer Radar noch ohne popkulturelle Referenz auskommen. Auch über dieses Thema hinaus ist das für Barb kein Problem. "Uncool" ist für sie offenbar keine Kategorie, und so erinnert sie ihre Freundin an deren Prinzipien hinsichtlich Fleiß in der Schule und Spaß mit Buben, die sie gerade im Begriff ist in den Wind zu schießen. "Das bist doch nicht du", warnt sie ihre Freundin vor einer drohenden Entfremdung.

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Barb gibt die brave Streberin und steht jede Sekunde dazu. Auch ihr stärkerer Körperbau ist für Barb keine Quelle für Selbstzweifel. So viel Standhaftigkeit schon im Teenageralter – was hätte noch alles aus Barb werden können. Aber Nancy musste ja unbedingt mit Steve kuscheln – und ließ Barb mit den noch unerkannten Gefahren allein. Aber vielleicht schafft es die (alt)kluge Barb ja, in der unheimlichen Parallelwelt von "Stranger Things" zu überleben – und redet dem dort wütenden Monster mit ihrem eindringlichen "Das bist doch nicht du" ins Gewissen. (Beate Hausbichler, 27.7.2017)