Bei einem 360°-Rundgang kann der Betrachter in jede Ecke blicken, nichts bleibt verborgen.

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Wien – In einer schnellen, kreisenden Bewegung schwenkt die Kamera vom Himmel herab und kommt in der gepflasterten Einfahrt des Reihenhauses zum Stillstand. Nun kann die Betrachterin sich umsehen, sie ist auf dem Vorplatz der Immobilie gelandet. Hier startet der 360°-Rundgang auf der Immobilienplattform von Raiffeisen. Per Mausklick dreht man sich einmal im Kreis. Mit Smartphone oder Tablet reicht es, das Gerät selbst zu bewegen.

Wo das entsprechende Symbol im Raum aufscheint, geht es weiter zur nächsten Aufnahme – in diesem Fall hinein ins Haus. Vom Vorraum aus lässt sich durch die ganze Immobilie navigieren: in den Wohnbereich mit Küche, den Keller, die Schlafzimmer im ersten Stock, die Terrasse – ja sogar in der Toilette kann man sich einmal um sich selbst drehen. "Somit bleibt keine Ecke verborgen", sagt Georg Wimberger, der mit seinem Unternehmen Realonaut diese Rundgänge realisiert hat.

Was sich früher nur für Luxusimmobilien oder Hotels rentiert hat, geht mit der Software von Realonaut mittlerweile schnell, einfach und ist auch eine Option für kleine Makler. "So lässt sich echtes Interesse besser filtern, denn ein 360°-Rundgang beschönigt nichts. Bei herkömmlichen Immobilieninseraten mit Bildern haben die Interessenten bei der Besichtigung oft ganz falsche Erwartungen", so Wimberger.

In zehn Minuten erledigt

Um einen 360°-Rundgang zu erstellen, braucht es eine 360-Grad-Kamera, die ab 200 Euro zu haben ist, und ein Smartphone. "Anstatt ihrer eigenen Fotos machen Makler einfach eine Aufnahme mit dieser Kamera", erklärt Oswald Schwarz, Head of Business Development bei Realonaut. Die Kamera wird mit dem Smartphone gekoppelt, der Makler verlässt den Raum und drückt auf den Auslöser. "In einem Haus mit fünf Zimmern ist das in zehn Minuten erledigt", so Wimberger. Danach wird der Rundgang hochgeladen, per E-Mail verschickt, auf einer Immobilien-Plattform oder in sozialen Netzwerken geteilt.

Auf Laptop, PC, Smartphone oder Tablet kann durch die Rundgänge navigiert werden. Wer es noch realitätsnäher will, kann mit einer Virtual-Reality-Brille (VR), in die das Smartphone gesteckt wird, durch die Zimmer spazieren. Neben Raiffeisen gehören bereits Örag und Otto Immobilien zu den Kunden von Realonaut. Je nach gewünschten Funktionen und Anzahl der monatlich erstellten Rundgänge wird für jeden Kunden ein individuelles Paket zusammengestellt. "Große Unternehmen sind mit drei Euro pro Rundgang dabei, kleinere Makler mit weniger Rundgängen zahlen etwa 140 Euro im Monat", sagt Wimberger.

Sind 3D-Renderings einer geplanten Wohnung vorhanden, kann auch in noch nicht gebauten Wohnungen bereits ein Rundgang erstellt werden. Auf diesen Zug ist auch der Projektentwickler Signa aufgesprungen. In einem kürzlich eröffneten Gassenlokal im Palais Harrach auf der Freyung, am Wiener Sitz des Unternehmens, können Interessierte auf einem Bildschirm oder ebenfalls mittels VR-Brille einen Rundgang durch die Parkapartments am Belvedere machen, die aktuell vom Unternehmen vermarktet werden. Ebenfalls mit 3D-Renderings und Drohnenflügen wurden die Rundgänge mit hohem Aufwand realisiert.

Virtuelles Gehen

Wo man im "Showroom" der Signa mit VR-Brille an räumliche Grenzen stößt – weil man im virtuellen Raum weitergehen will, im realen aber bereits an einer Wand ansteht -, gibt es anderswo eine Lösung für das Problem. In den Räumlichkeiten von Realonaut im 18. Bezirk ist auch das Start-up 3D-Run untergebracht. Das Unternehmen hat eine Möglichkeit entwickelt, mit speziellen Schuhen auf einem Sessel sitzend und mit VR-Brille auf dem Kopf durch eine virtuelle Welt zu "gehen". "Bei vielen anderen, ähnlichen Produkten wird man in einen Apparat eingespannt oder muss einen schweren Gurt anlegen. Wir haben nach einer einfacheren Lösung gesucht und sie in den Cybershoes gefunden", sagt Gründer Michael Bieglmayer.

Der Test zeigt: Das Eintauchen in eine andere Welt funktioniert verblüffend gut. Wer die Cybershoes trägt, streicht damit leicht über den Boden und imitiert so eine natürliche Gehbewegung, bleibt aber physisch an Ort und Stelle. Außerdem sind die Hände frei, man kann sogar Gegenstände aufheben. Um zu zeigen, wie eine Immobilienbesichtigung in dieser virtuellen Welt ablaufen kann, haben die Entwickler das berühmte "Farnsworth House" von Ludwig Mies van der Rohe in 3D visualisiert. Vom Garten aus betritt man das Wohnzimmer, steht am Kamin, in dem ein Feuer lodert, oder genießt den Blick in die umliegenden Wälder – und vergisst dabei fast, dass man nicht wirklich hier ist in diesem Designklassiker, sondern nur virtuell zu Besuch. (Bernadette Redl, 29.7.2017)