Wien – Wenn die Nationalratswahl ausgeht, wie die Umfragen derzeit bedeuten, könnten beim ORF einige Führungsjobs zur Neubesetzung anstehen – Direktoren, Chefredakteure und viele Managementjobs, womöglich auch der Generaldirektor. derStandard.at/Etat sammelt hier Namen, die schon gehandelt werden, einmal gehandelt wurden, oder noch eine Rolle spielen könnten.

Für ein paar von ihnen wäre ein Führungsjob im – jedenfalls heute noch – weitaus größten Medienkonzern des Landes mit spürbaren Gehaltseinbußen verbunden, sofern eine neue Regierung und ein neues ORF-Aufsichtsgremium nicht auch hier Wesentliches ändert. Derzeit kommt der ORF-General auf rund 420.000 Euro pro Jahr.

Hoffnungsträger und Verdächtige im Überblick

Der Begriff des Hoffnungsträgers lässt sich weit interpretieren: Dann fallen darunter Menschen, in die andere Hoffnungen setzen, ebenso wie Menschen, die eine Hoffnung in sich tragen – oder gar vor sich her. In der Liste steheh aber auch Menschen, denen – wie realistisch auch immer – Hoffnungen nachgesagt werden. Und Menschen, die in ein neobürgerliches Beuteschema passen könnten. Mit ambitioniertem Anspruch auf – stets ergänzbare – Vollständigkeit, aber ohne Gewähr für diese. Altersangaben: Stand Anfang August 2017.

Aigelsreiter, Hannes (53)

Radio-Chefredakteur, wird im stets flott gemalten ORF-Farbschema gern den Bürgerlichen zugerechnet, verwahrte sich aber mehrfach dagegen, wenn etwa DER STANDARD ihn dort zuordnete.

Brandstätter, Helmut (62)

Herausgeber und Chefredakteur des "Kurier", war schon Geschäftsführer des deutschen Nachrichtensenders n-tv, später Gründungsmanager von Puls TV. Würde als ORF-General spürbar weniger verdienen. Hat offenbar aber nicht den besten Draht zu Sebastian Kurz.

Breitenecker, Markus (48)

Erfolgreicher Medienmanager mit Umsetzungswillen aus der Privatwirtschaft, jünger als viele, würde wohl gut in Sebastian Kurz' Besetzungsliste passen. Breitenecker war mit Mitte 20 Geschäftsführer des (kurzlebigen) deutschen Wetterkanals, er baute ab seinem 29. Lebensjahr für den Münchner Medienkonzern ProSiebenSat1 seit 1997 die größte Privatfernsehgruppe in Österreich mit Werbe- und Programmfenstern, mit Puls 4 und seit 2017 ATV auf. Würde als ORF-General spürbar weniger verdienen. Fordert vom ORF seit Jahrzehnten, sich auf öffentlich-rechtliche Aufgaben zu konzentrieren – könnte also schwer einen so breit wie bisher aufgestellten ORF mit einem international programmierten ORF 1 und mit Ö3 vertreten. Und einen ORF ohne die beiden Kanäle würde Breitenecker wohl eher ungern führen.

Markus Breitenecker, Chef von ProSiebenSat1Puls4 bei der Präsentation der ATV-Übernahme 2017.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Brunhofer, Roland (50)

Der hemdsärmelige Sozialdemokrat war bis Ende 2016 ORF-Landesdirektor in Salzburg. Soll Channel Manager von ORF 2 werden. Gilt aber in wesentlichen Teilen der SPÖ als Generalsoption, wenn es nicht Wrabetz sein soll. Wird etwa auch vom Stiftungsrat des rot/blauen Burgenlands unterstützt.

Bürger, Hans (55)

Langjähriger Innenpolitik-Chef des ORF-Fernsehens. Bisher aussichtsreichster Kandidat für die Channel-Chefredaktion von ORF 2, wenn die Struktur so kommt. Kann mit praktisch allen.

Dengler, Veit (48)

Wäre der Mann nicht justament Mitbegründer der Neos, er würde gut in eine mediale Besetzungsliste der ÖVP von Sebastian Kurz passen. Dengler hat immerhin bis zu seinem vorzeitigen Abgang wegen Auffassungsunterschieden im Juni 2017 über dreieinhalb Jahre den Medienkonzern um die "Neue Zürcher Zeitung" modernisiert.

Veit Dengler.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Fischer, Wolfgang (55)

War einst Pressesprecher von ÖVP-Chef und Außenminister Alois Mock, dann langjähriger ORF-Wegbegleiter des bürgerlichen, aber bei der Generalswahl 1998 von der SPÖ unterstützten ORF-Managers Gerhard Weis. Heute Geschäftsführer der Wiener Stadthalle und erst 2016 bis 2022 verlängert.

Gollinger, Norbert (60)

Dienstältester ORF-Landesdirektor (in Niederösterreich) – ab 1998 Chefredakteur in St. Pölten und ab 2002 Nachfolger Monika Lindners als Landesstudiochef.

Grasl, Richard (44)

Bürgerlicher ORF-Finanzdirektor bis Herbst 2016. Kandidierte 2016 gegen Alexander Wrabetz um den Job des ORF-Generals und unterlag mit den Stimmen von Schwarz, Blau und Gelb einer Rot-Grün-Pink-Unabhängigen-Mehrheit mit unabhängigen Enthaltungen. Berät seit seinem ORF-Abgang die Mediaprint-Eigentümer Krone und Kurier in Bewegtbildfragen, derzeit vor allem beim Kurier-Einstieg bei Schau TV. Dürfte wegen eines persönlichen Unglücksfalls im Sommer 2017 jedenfalls vorerst aus dem Rennen sein.

Groiss, Stefanie (40)

Seit September 2017 Senderchefin von Puls 4 in Österreichs größter privater TV-Sendergruppe ProSiebenSat1Puls4, davor 20 Jahre im ORF in der Programm- und Fernsehdirektion tätig.

Grünberger, Gerald (47)

Der Geschäftsführer des Zeitungsverbandes war im September 2016 einer der Schlüsselkandidaten der ÖVP für die Position des Finanzdirektors. Allerdings hieß der damalige ÖVP-Mediensprecher noch Werner Amon, langjähriger politischer Wegbegleiter Grünbergers. Das war nicht der einzige Anlauf Richtung ORF.

Gerald Grünberger.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Koller, Nikolaus (37)

Bis Juli 2017 Leiter des Instituts für Journalismus und Medienmanagement an der FH der Wirtschaftskammer Wien. Könnte als bürgerlicher Kandidat für mittleres ORF-Management infrage kommen.

Kralinger, Thomas (57)

Mediaprint-Geschäftsführer, "Kurier"-Geschäftsführer und Präsident des Zeitungsverbandes VÖZ von politischem Naturell. Wird derzeit – mit welchem Hintergrund auch immer – in Branchenspekulationen über den ORF nach der Wahl unter anderen genannt. War auch schon im Management der Vereinigten Bühnen Wien und davor der Verlagsgruppe News.

Kräuter, Harald (47)

Wurde unter Finanzdirektor Richard Grasl Geschäftsführer der ORF-Gebührentochter GIS, davor lange in der ORF-Technik. Bewarb sich schon als Technikdirektor.

GIS-Chef Harald Kräuter, hier noch in der ORF-Technik 2011 bei der Übergabe von Übertragungswagen, ausgestattet von A1.
Foto: A1/OTS

Lassnig, Stefan (41)

Bis Ende 2016 über mehrere Jahre Vorstand der Regionalmedien Austria (RMA), der Ring von Gratiswochenzeitungen der Styria Media Group und der Moser Holding ist immerhin reichweitenstärkstes Printmedium im Land. Im Frühjahr 2017 für ein paar Monate internationaler Vermarkter des NZZ-Konzerns. Gute Kontakte in Kurz' engsten Kreis.

Nowak, Rainer (44)

Herausgeber, Chefredakteur und nun auch Geschäftsführer der "Presse". Wurde in den vergangenen Jahren als möglicher Infodirektor/Infochef des ORF gehandelt, etwa für das Team von Richard Grasl kolportiert.

Rainer Nowak.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Prantner, Thomas (52)

Vizedirektor in der ORF-Technik, zuständig für Online, gemeinhin als Onlinechef tituliert. Positioniert sich als bürgerlich-unabhängig mit FPÖ-Nähe. Gilt seit langem als Vertrauensmann der Freiheitlichen im ORF, gut vernetzt in viele Fraktionen. Trat schon einmal in einer Wiener Umlandgemeinde erfolgreich mit einer Bürgerliste gegen die Gemeinde-ÖVP an. War 2007 bis 2011 schon einmal Onlinedirektor.

Thomas Prantner, Onlinechef und ORF-Technikvize.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Rammerstorfer, Kurt (63)

ORF-Landesdirektor in Oberösterreich. War schon 2002 bis 2006 Radiodirektor unter Monika Lindner. Wäre 2002 beinahe General geworden.

Schöber, Peter (46)

Kam mit dem bürgerlichen Info-Intendanten Hannes Leopoldseder unter ORF-General Weis (ab 1998) nach Wien, war Programmplaner, ist viel gelobter Gründungsgeschäftsführer des Info- und Kulturspartenkanals ORF 3.

Scolik, Reinhard (58)

War schon unter der bürgerlichen ORF-Generalin Monika Lindner Fernsehdirektor des ORF, dann unter Wrabetz mächtiger Administrations- und Personalchef. Womöglich nicht bürgerlich genug – wobei: Seit Frühjahr 2016 ist Scolik Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks. Soll aber mit seinem Job in München sehr zufrieden sein.

Spatt, Georg (50)

Langjähriger, tendenziell bürgerlich eingestufter Chef von Ö3. Bewarb sich 2016 als Radiodirektor.

Ströbitzer, Stefan (51)

TV-Innovationschef, war schon stellvertretender TV-Chefredakteur und Radiochefredakteur. Wurde trotz bürgerlich-niederösterreichischer Wurzeln aber lange eher der SPÖ zugeordnet.

Takacs, Christoph (54)

Seit 2017 den Bürgerlichen zugerechneter ORF-Landesdirektor in Salzburg, davor Chefredakteur von ORF 3.

Totzauer, Lisa (46)

Hemdsärmelig-motivierende, teamorientierte, innovationssinnige Infochefin von ORF 1, bisher im Wrabetz-ORF bürgerliche Fixstarterin für das Channel Management von ORF 1. Bei bürgerlicher Mehrheit Kandidatin für ein gutes Stück mehr.

Lisa Totzauer.
Foto: STANDARD/Urban

Weissenberger, Eva (44)

War schon Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" in Kärnten und bis Ende 2016 von "News", davor auch Redakteurin und Sendungsmacherin im ORF. Arbeitet derzeit aber an einem unternehmerischen Projekt.

Weissmann, Roland (49)

Vize-Finanzdirektor und Chefproducer. War 2016 einer der ÖVP-Wunschkandidaten für die Finanzdirektion nach Richard Grasl. Dessen langjähriger beruflicher Wegbegleiter.

Wrabetz, Alexander (57)

Seit 2007 Generaldirektor des ORF, als erster zweimal wiedergewählt. Der Sozialdemokrat ist Überlebenskünstler und Selbstverteidigungsminister, wenn es um den Generalsjob geht.

Zechner, Kathrin (54)

Langjährige TV- und nun Programmdirektorin des ORF. Die TV-Information ressortiert – auch auf Drängen großer Parteien – seit 2017 nicht mehr zu ihr.

Zeiler, Gerhard (62)

Der Sozialdemokrat und 2016 Beinahe-SPÖ-Chef wurde 2011 massiv von Bürgerlichen motiviert, gegen Alexander Wrabetz um den ORF-Generalsjob anzutreten. Der ehemalige ORF-General, langjährige Chef der RTL Group und nun Auslandsboss von Turner Broadcasting wollte schon damals nicht die SPÖ spalten. Und in der ÖVP dürfte auch keiner mehr an den bürgerlichen Zeiler-Fanclub anno 2011 denken.

Gerhard Zeiler.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Stiftungsräte

Ach einige Mitglieder des Stiftungsrats wären Kandidaten für diese Liste. Seit 2011 schreibt ihr Corporate Governance Kodex allerdings vor, dass sie sich zwei Jahre, nachdem sie über einen Generaldirektor abgestimmt haben, nicht um einen Job im ORF bewerben dürfen. Bei Betriebsratsmitgliedern im Stiftungsrat gilt diese Klausel für Generals- und Direktorenjobs. (fid, 2.8.2017)