Viele Nigerianerinnen werden in Europa zur Prostitution gezwungen.

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Wien/Rom – Das genaue Ausmaß von weltweitem Menschenhandel ist schwer zu erfassen, denn die meisten Fälle werden nie bekannt. Die Dunkelziffer ist daher enorm hoch. Fest steht jedoch, dass Frauen und Mädchen am häufigsten zum Opfer von Menschenhandel werden. Aus der Analyse dokumentierter Fälle (UNODC, 2016) geht hervor, dass 71 Prozent der Opfer weiblich sind.

Sexuelle Ausbeutung

Meist werden Frauen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gehandelt. Sie werden in sklavenähnlichen Zuständen zur Prostitution gezwungen. "Für die betroffenen Frauen ist es sehr schwierig aus den Fängen der Menschenhändler zu entkommen. Kann sich eine Frau befreien, wird sie häufig von der Gesellschaft stigmatisiert", sagt Aleksandra Kolodziejczyk, Projektreferentin von Brot für die Welt.

Eine junge Kambodschanerin, Sarorn, berichtet über ihre eigenen Erfahrungen mit Menschenhandel, ein Schicksal, das sie mit vielen Frauen weltweit teilt: "Ich war 14 Jahre alt, als eine Frau mittleren Alters an die Tür unserer Hütte in der abgelegenen Provinz klopfte. Sie versprach einen gut bezahlten Job in der Hauptstadt Phnom Penh. Wir lebten in bitterer Armut. In gutem Glauben nahmen wir das Angebot mit Freude an." Gleich nach der Ankunft in der Hauptstadt platzten jedoch alle Träume: Sarorn wurde an ein Bordell verkauft, wie eine Sklavin behandelt und zur Prostitution gezwungen. Sämtliche Fluchtversuche scheiterten. Heute hat sie jedoch wieder Lebensmut gefasst, ihr eigenes Einkommen erwirtschaftet und sich ein neues Leben aufgebaut.

Hilfe zur Selbsthilfe

Gemeinsam mit der Partnerorganisation Afesip Fair Fashion unterstützt Brot für die Welt Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Psychologische Betreuung, eine Ausbildung als Näherin und schließlich ein geregeltes Einkommen in der Nähwerkstatt gaben auch Sarorn wieder neuen Lebensmut. Afesip Fair Fashion bietet Frauen einen sicheren und fairen Arbeitsplatz mit angemessenen Arbeitszeiten, gerechter Entlohnung, Kranken- und Unfallversicherung. Schul- und Berufsbildung und der Schutz vor Gewalt sind dabei Grundpfeiler für ein selbstbestimmtes Leben.

"Betroffene brauchen ein sicheres und ermächtigendes Umfeld, um wieder Selbstvertrauen aufzubauen. Natürlich gehört dazu auch die Anerkennung der Straftat durch die Justizbehörden und die Verurteilung der Täter", betont Kolodziejczyk. Ebenso ist eine Stärkung des Bewusstseins in der Öffentlichkeit und innerhalb der Polizei nötig, damit die Verbrechen aufgezeigt werden und Betroffene die notwendige Unterstützung erhalten. "Die gesellschaftliche Stigmatisierung der Frauen erschwert die Rückkehr in ein normales Leben", so Kolodziejczyk.

Zwangsprostitution in Italien

Auch in Europa ist Menschenhandel ein anhaltendes Problem. Kürzlich hat die italienische Polizei auf Sardinien sieben Verdächtige festgenommen. Sie hätten Frauen aus Nigeria zur Prostitution gezwungen. Die Männer sollen die Frauen mittels Erpressung dazu genötigt haben, ihre Flüchtlingsunterkünfte zu verlassen um sie dann nach Turin zu bringen. Dort sollten die Frauen für sie als Prostituierte arbeiten, um ihre "Schulden" für die Überfahrt von Afrika nach Europa zu begleichen. Von manchen Frauen seien bis zu 30.000 Euro gefordert worden sein.

Viele nigerianische Frauen, die über Libyen nach Europa kommen, werden Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Wie aus einem Bericht von vergangener Woche hervorgeht, hält die Internationale Organisation für Migration 75 Prozent der 11.000 Nigerianerinnen, die im vergangenen Jahr Italien erreichten, für möglicherweise betroffen. Da die Frauen aufgrund von Scham und Stigmatisierung oftmals nicht über ihr Schicksal sprechen wollen, erweist es sich aber als schwierig genaue Zahlen zu ermitteln und den Opfern zu helfen. (APA, red, 31.7.2017)